Treibhausgas-Ausstoß zu hoch Familien und Greenpeace bringen Bundesregierung vor Gericht

Berlin · Drei Familien und Greenpeace werfen der Bundesregierung vor, nicht genug gegen die Erderhitzung zu tun. Sie sehen sich in ihren Grundrechten verletzt. Verdonnert ein Gericht die Politik zu mehr Klimaschutz?

 Teilnehmer einer Demonstration im Zentrum von Leipzig halten ein Greenpeace-Banner mit der Aufschrift "Klima schützen, Kohle stoppen".

Teilnehmer einer Demonstration im Zentrum von Leipzig halten ein Greenpeace-Banner mit der Aufschrift "Klima schützen, Kohle stoppen".

Foto: dpa/Sebastian Willnow

In Berlin wird an diesem Donnerstag um 10 Uhr die erste Klimaklage gegen die Bundesregierung verhandelt. Drei Familien und die Umwelt-Organisation Greenpeace wollen die Politik dazu zwingen, beim Kampf gegen die Erderhitzung nachzulegen. In dem Verfahren am Verwaltungsgericht in der Hauptstadt wird eine Entscheidung noch am selben Tag erwartet.

Die Kläger werfen der großen Koalition von Union und SPD vor, nicht genug zur Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes zu tun. Das bereits 2007 vereinbarte Ziel, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, verfehlt Deutschland Stand jetzt deutlich. Allerdings gab es bisher kein Gesetz, in dem dieses Ziel festgeschrieben war, nur einen „Klimaschutzplan“. Die Bundesregierung hält die Klage für unzulässig.

Beschlüsse einer Regierung seien keine bloßen politischen Willensbekundungen, sondern juristisch verbindliche Rechtsakte, argumentieren die Kläger. Die Familien aus dem Alten Land in Niedersachsen, von der Insel Pellworm in Schleswig-Holstein und aus der Lausitz in Brandenburg sehen sich in ihren Grundrechten verletzt.

„Es geht um ganz viel für diese drei Familien“, sagte Rechtsanwältin Roda Verheyen, die Greenpeace und die Familien vertritt, der Deutschen Presse-Agentur. Sie seien in der Landwirtschaft tätig. Temperaturerhöhung, Hagel und extreme Niederschläge, drohende Hochwasser, das mache ihnen zu schaffen. Es gebe schon Ernteausfälle und Schädlinge, die durch den Klimawandel bessere Lebensbedingungen hätten. Eine Familie habe etwa Kirschbäume fällen müssen, die von einem Schädling befallen waren, den es eigentlich hier nicht gebe.

Biolandwirt und Kläger Heiner Lütke Schwienhorst aus Vetschau/Spreewald im Landkreis Oberspreewald-Lausitz sagte: „Wegen Dürre und Trockenheit waren unsere Ernten in den letzten zwei Jahren schon jeweils um etwa ein Drittel reduziert. Wir Bauern tragen die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Klimapolitik.“

Schadenersatz wollen die Familien und Greenpeace nicht. „Sie berufen sich auf ihre Grundrechte in der Schutzpflichten-Dimension und sagen: Ihr müsst mehr tun, um uns zu schützen“, erklärte die Anwältin.

Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte dazu, es sei „gutes Recht“ von Greenpeace und den Familien, vor Gericht zu ziehen und auf diese Weise öffentliche Aufmerksamkeit zu suchen und auch Druck für einen besseren Klimaschutz aufzubauen. Sie brächten damit zum Ausdruck, dass der Klimawandel „erhebliche negative Auswirkungen“ habe. Ob die Klage gerechtfertigt sei, entscheide das Gericht.

Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag von Greenpeace wird das Ziel von 2020 erst mit etwa fünf Jahren Verspätung erreicht werden können - daran ändert den Experten zufolge wohl auch das jüngst vereinbarte Klimapaket nichts. „Das ist auf jeden Fall viel zu spät“, sagte Verheyen. Wichtiger als eine „Punktlandung“ sei aber die Menge der bis dahin ausgestoßenen Treibhausgase, und diese sei insgesamt zu hoch. Die Regierung selbst ging im Mai davon aus, dass im kommenden Jahr nur rund 33 Prozent Treibhausgas-Minderung geschafft werden.

Derzeit ist das Klimaschutzprogramm 2030 in Arbeit, mit dem die Koalition sicherstellen will, dass Deutschland wenigstens sein Klimaziel für 2030 schafft - nämlich eine Treibhausgas-Reduktion von 55 Prozent im Vergleich zu 1990. Das auf den Weg gebrachte Klimaschutzgesetz ist laut Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) eine Antwort auf die Versäumnisse der Vergangenheit - es regelt verbindlich, wie viele Treibhausgase einzelne Bereiche wie Verkehr oder Landwirtschaft in welchem Jahr noch ausstoßen dürfen.

(zim/dpa)
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