Privates am Arbeitsplatz Debatte um Klamroth und Neubauer ist nicht ganz fair

Analyse | Düsseldorf · Die Beziehung zwischen dem „Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth und der Klimaaktivistin Luisa Neubauer sorgt weiter für Debatten, weil der Journalist seinen Arbeitgeber erst spät informierte. Juristisch ist der Fall klar – wirft aber andere Fragen auf.

 Über dieses Paar wird diskutiert: Luisa Neubauer und Louis Klamroth

Über dieses Paar wird diskutiert: Luisa Neubauer und Louis Klamroth

Foto: dpa/Skolimowska

Ein Journalist lernt eine Klimaaktivistin kennen, die beiden werden ein Paar. Natürlich ist das Privatsache und geht den Arbeitgeber nach geltendem Recht nichts an. Der Schutz der Privatsphäre ist in Deutschland höher gestellt als mögliche Interessen eines Arbeitgebers, über die Beziehungen seiner Mitarbeiter informiert zu sein. Doch zeigt die Debatte über den „Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth, dass juristische Kategorien nicht alles sind. Dass es manchmal um mehr geht als die Frage, was ein Mitarbeiter muss und ein Arbeitgeber darf. Es kann auch darum gehen, ob ein Angestellter selbst sieht, dass seine privaten Belange öffentliche Wirkung entfalten und für den Arbeitgeber relevant sind – und sich freiwillig entsprechend verhält. Das ist viel verlangt, aber manchmal geboten. Dann geht es um Verantwortung.

Das steckt wohl auch hinter der Diskussion über die Beziehung zwischen Klamroth und Deutschlands bekanntester Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Natürlich geht auch diese private Beziehung den Arbeitgeber, in diesem Fall den WDR, im Prinzip nichts an. Und so ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Moderator seinem Sender davon anscheinend erst berichtete, als über die „Hart aber fair“-Nachfolge entschieden war. Doch ist bei einem Journalisten immer auch die Öffentlichkeit im Spiel. Und es gibt nun mal Teile in dieser Öffentlichkeit, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt und dem WDR im Besonderen linksliberale Tendenzen und eine zu große Nähe etwa zu Vertretern der Klimaschutzbewegung unterstellen. Vor diesem Hintergrund wird es zu einem Politikum, wenn eines der wichtigsten Politik-Talkformate an einen Journalisten vergeben wird, der privat mit einer Klimaaktivistin sympathisiert. Da nützt es auch nichts, dass Klamroth betont, er beherrsche sein journalistisches Handwerk und könne und werde auch über Klimathemen mit gebotener kritischer Distanz berichten. Wie zum Beweis beschäftigte sich die jüngste „Hart aber fair“-Ausgabe mit dem Thema „Letzte Abfahrt: Wie verändert die Klimakrise Alltag und Leben?“– einen Abend bevor über Klamroth auch im WDR-Rundfunkrat gesprochen werden sollte. WDR-Intendant Tom Buhrow hat die Besetzung des Moderationsposten mit Hinweis auf dessen Persönlichkeitsrechte verteidigt. Dass er es tun musste, ist der Punkt.

Klamroth bewies in der Klima-Sendung, dass er ein professioneller Journalist ist und selbstverständlich auch der Vertreterin der Klimaschutz-Bewegung mit kritischen Nachfragen konfrontierte. Doch konnte er nicht verhindern, dass etwa die „Bild“-Zeitung die Sendung am nächsten Tag daraufhin abklopfte, wie viel „Neubauer“ in „Hart aber Fair“ gesteckt habe. Das kann man populistisch und unfair finden. Es greift mit dem Instinkt des Boulevard Stimmungen auf, die es gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Wie berechtigt die sind, ist eine andere Frage. Der WDR muss damit umgehen, dass man ihm wieder vorwirft, sein Spitzenpersonal aus dem linksliberalen Milieu zu gewinnen. Klamroth hat dem Sender jedenfalls nicht die Chance gegeben, selbst zu entscheiden, ob er diese Debatte führen will.

Natürlich ist das viel verlangt. Hätte der Journalist seine Beziehung vor der Verkündung seiner Besetzung öffentlich gemacht, hätte er die Sendung vielleicht nicht bekommen. Eignung hin oder her. Klamroth mag trotz seiner privaten Beziehung mit gebotener Distanz auf das Klimathema blicken, entscheidend für den WDR ist, dass der Frontmann dies nun in jeder Sendung zum Thema beweisen muss. Damit ist auch „Hart aber fair“ in die Defensive geraten – ein Format, das sich gerade dadurch durchgesetzt hat, dass es Vertretern aller politischen Richtungen mit kritischen Nachfragen und Faktenchecks gleichermaßen frech auf den Leib rückt. Das wird in der Sendung sicher auch weiterhin geschehen, doch muss sie das nun immer wieder beweisen. Ob das nun fair ist oder nicht.

„Das Persönlichkeitsrecht ist in Deutschland selbst dann höher gestellt als das Auskunftsrecht von Arbeitgebern, wenn diese ein nachvollziehbares und berechtigtes Interesse an Informationen über ihre Mitarbeiter besitzen“, sagt die Arbeitsrechtlerin Nele Urban, die sich auf die Medienbranche spezialisiert hat. Im Grunde ist also alles, was Lebensgefährten oder Ehepartner machen, in welchen Verbindungen sie stehen, welchen Weltanschauungen sie folgen, nichts, was Dritte etwas anginge. Allerdings habe sich die öffentliche Wahrnehmung von Interessenskonflikten stark gewandelt, sagt Urban. „Leute reagieren heute viel sensibler darauf, wenn es um mögliche Einflussnahmen oder gar den Verdacht auf Vetternwirtschaft geht“, sagt die Juristin. Das hat in ihren Augen unter anderem damit zu tun, dass sich die meisten Unternehmen heute eigene Compliance-Regeln geben und im Austausch mit der Belegschaft darin festschreiben, was in ihren Augen als versuchte Einflussnahme oder falsche Abhängigkeit gilt. Das hat die Sensibilität in der Öffentlichkeit geschärft – und die Ansprüche gegenüber Menschen, die sich in der Öffentlichkeit bewegen.

Es mag also keine juristische Handhabe geben, Auskünfte über das Privatleben einzufordern, doch der öffentliche Druck ist gewachsen. Was früher rein privat war, wird seit Aufkommen der digitalen Netzwerke gerade bei Prominenten nicht mehr als allein privat empfunden. So ist das Gegenüber öffentlicher Personen gar nicht der Arbeitgeber, sondern die Öffentlichkeit. Und deren gefühlter Anspruch, informiert zu werden. Gerade wenn ein Journalist eine Aktivistin liebt – und sich professionell an der politischen Meinungsbildung im Land beteiligt.

Vielleicht hat Louis Klamroth das unterschätzt. Jedenfalls hat er sein berechtigtes individuelles Interesse an einem Karriereschritt und der Ungestörtheit seines Privatlebens über die Interessen seines Senders gestellt. Der WDR muss mit der Debatte nun umgehen. Und hat sich für Verteidigung entschieden.

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