Klage von NRW-Kommunen Bildungs- und Teilhabepaket teilweise verfassungswidrig

Düsseldorf, Karlsruhe · Der Bund bürde den Kommunen in unzulässiger Weise personelle und finanzielle Lasten auf, ohne ihnen entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, urteilte jetzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Geklagt hatten zehn kreisfreie Städte aus NRW.

 Das Bundesverfassungsgericht mit einem Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug Bundesverfassungsgericht. (Symbolfoto)

Das Bundesverfassungsgericht mit einem Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug Bundesverfassungsgericht. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Uli Deck

Teilweise verfassungswidrig ist das von den Kommunen zu schulternde kommunale Bildungs- und Teilhabepaket für ärmere Familien. Der Bund bürde den Kommunen damit in unzulässiger Weise personelle und finanzielle Lasten auf, ohne ihnen entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, erklärte das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss. (AZ: 2 BvR 696/12) Beschwerdeführer waren zehn kreisfreie Städte aus NRW. Der Deutsche Städtetag befürwortete das Urteil, die Grünen verwiesen auf eine Kindergrundsicherung als Alternative.

Mit der Art der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets sei das im Grundgesetz verankerte kommunale Selbstverwaltungsrecht verletzt worden, erklärte das Gericht. Der Gesetzgeber muss es nun bis Ende 2021 neu regeln. Bis dahin bleiben die bestehenden Vorschriften in Kraft.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 in seinem sogenannten Hartz-IV-Urteil dem Gesetzgeber aufgegeben, dass alle existenznotwendigen Bedarfe für ärmere Sozialleistungsbezieher in einem transparenten und realitätsgerechten Verfahren festgestellt werden müssen. Daraufhin wurde 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder aus Sozialhilfe- und Hartz-IV-Familien eingeführt. Dieses sollte unter anderem Kosten für Schulmaterial und Nachhilfestunden abdecken. Die Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB) II für Hartz-IV-Leistungen und zum SGB XII (Sozialhilfe) wurden mehrfach geändert, zuletzt mit dem ab 2020 geltenden sogenannten „Starke-Familien-Gesetz“.

Die Beschwerdeführer, zehn kreisfreie Städte aus Nordrhein-Westfalen, hielten die Sozialhilfevorschriften für das Bildungs- und Teilhabepaket für verfassungswidrig. Sie müssten nun mehr Leistungen bezahlen und außerdem mehr Personal für die Bearbeitung der Leistungen aufbringen. Dem folgte das Bundesverfassungsgericht weitgehend. Der Bund dürfe den Kommunen nicht neue Aufgaben übertragen, ohne dass diese die hierfür notwendigen Ressourcen erhielten.

Zwar mussten die Kommunen auch vor den im Streit stehenden Regelungen etwa für mehrtägige Klassenfahrten oder die Ausstattung für persönlichen Schulbedarf aufkommen. Dass die Städte und Gemeinden dies weiterhin schultern müssen, sei nicht zu beanstanden. Es seien aber neue Aufgaben hinzugekommen, für die die Städte und Gemeinden keine neuen Mittel vom Bund erhalten hätten. So müssten nun etwa auch Schulausflüge und nicht nur mehrtägige Klassenfahrten bezahlt werden. Auch könnten nun Kinder, die eine Kindertagesstätte besuchen, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beanspruchen.

Der Deutsche Städtetag begrüßte das Urteil. Es stärke die kommunale Selbstverwaltung, erklärte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Der Bund versuche immer wieder, den Städten Aufgaben neu zu übertragen oder diese zu erweitern, kritisierte er. Damit drohe der Handlungsspielraum der Kommunen immer kleiner zu werden. Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger sagte, es sei ein Skandal, dass sich „Kommunen als schwächstes Glied in der Hackordnung der staatlichen Gliederungen“ ihr Recht immer wieder erkämpfen müssten.

Die Grünen forderten, sich ganz vom bisherigen Bildungs- und Teilhabepaket zu verabschieden. „Familien mit keinem oder kleinem Einkommen stärkt man nicht mit bürokratischen Instrumenten“, sagte der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Sven Lehmann. Er verwies auf die Forderung der Grünen nach einer Kindergrundsicherung ohne „Antragsdschungel“. Die jetzigen Leistungen kämen zudem nur bei einem Drittel der Kinder an, die einen Anspruch darauf haben, sagte er.

(chal/epd)
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