Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Klage kippt Wehrplicht nicht
Leipzig (rpo). Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Mittwoch die Klage eines 22-jährigen Wehrpflichtigen gegen die Einberufungspraxis der Bundeswehr zurückgewiesen. Das Gericht gab der Revision des Bundes statt und verwies den Fall zurück an das Verwaltungsgericht Köln. Wäre die Entscheidung für den 22-Jährigen ausgefallen, hätte künftig jeder angehende Rekrut mit Verweis auf das Urteil seine Einberufung umgehen können.
In der Sache entschied das Bundesverwaltungsgericht über einen Fall aus Köln. Dort hatte ein Wehrpflichtiger gegen seine Einberufung geklagt und im April 2004 vom Verwaltungsgericht Köln Recht bekommen. In der Urteilsbegründung erklärten die Richter, die Einberufung des Klägers durch die Bundeswehr sei willkürlich.
Wenn nur noch jeder Dritte eines Jahrgangs eingezogen werde, entbehre dies jeder Wehrgerechtigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, weil sie die im Kölner Prozess vorgebrachten Zahlen zur Einberufungspraxis der Bundeswehr als nicht zutreffend betrachtet.
In der mündlichen Verhandlung sagte der Vorsitzende Richter Franz Bardenhewer am Mittwoch, von Willkürlichkeit könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Zwar würden in der derzeitigen Einberufungspraxis die Ausnahmefälle erheblich ausgeweitet. Diese hätten jedoch einen sachbezogenen Hintergrund und seien deshalb nicht willkürlich. Offen ließen die Richter, ob sie eine Verletzung der Wehrgerechtigkeit sehen.
Es gebe eine immer größer werdende Lücke zwischen der Zahl der Verfügbaren und der dann tatsächlich Einberufenen, sagte Bardenhewer. Es stelle sich die Frage, ob noch von Wehrgerechtigkeit gesprochen werden könne, wenn nur noch die Besten eines Jahrganges zum Grundwehrdienst herangezogen werden.
"Die Wehrpflicht erodiert bereits kräftig"
Andreas Bartholomé, der Anwalt des 22-jährigen Studenten, der sich vor Gericht gegen seine Einberufung gewehrt hatte, sagte: "Die Wehrpflicht erodiert bereits kräftig - unabhängig von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln." Von Wehrgerechtigkeit könne keine Rede mehr sein, wenn weniger als die Hälfte der wehrdienstfähigen Männer einberufen werde. Er beantragte deshalb, das Kölner Urteil zu bestätigen.
Der Vertreter des Bundes, Thomas Kunze, kritisierte das Urteil der Vorinstanz, das "große Vorbehalte gegen die allgemeine Wehrpflicht" offenbare. Das Verwaltungsgericht Köln habe die Gefahr einer Erosion der Wehrpflicht in Kauf genommen. Wenn die Bundeswehr nicht mehr funktionsfähig wäre, sei die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gefährdet. Im vorliegenden Fall sei der Kläger nicht willkürlich einberufen worden, argumentierte Kunze.
Struck gegen dänisches Wehrpflichtmodell
Das derzeit unter Wehrpflichtgegnern diskutierte "dänische Modell" sei für Deutschland "unrealistisch" und erfülle nicht die erforderlichen Kriterien, sagte Verteidigungsminister Peter Struck der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung".
Struck widersprach damit einem Bericht, er sei bereit, die Wehrpflicht nach dänischem Vorbild so beizubehalten, dass nur dann Rekruten eingezogen werden, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden.
Der Minister betonte, er wolle nur über Alternativen zur Wehrpflicht diskutieren, mit denen sich der Finanzrahmen einhalten und die erforderliche Truppenstärke sowie die nötigen Rekrutierungen erzielen ließen. "Diese Alternativen sehe ich im Moment nicht", sagte Struck.
Warnung vor zu hohen Kosten einer Berufsarmee
Unmittelbar vor dem Urteil hat auch der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Reinhold Robbe, vor den hohen Kosten einer Berufsarmee gewarnt. "Eine Freiwilligenarmee ist im Moment überhaupt nicht zu bezahlen", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin.
Bei Einführung einer Berufsarmee würden zusätzliche Kosten von 3,5 bis 7 Milliarden Euro pro Jahr entstehen. Das hätten Berechnungen ergeben. Dennoch sei eine breite Diskussion darüber notwendig, ob die Wehrpflicht noch zeitgemäß sei, was sie in den vergangenen rund 50 Jahren gebracht habe und was bei einer Abschaffung mit den Ersatzdiensten geschehen solle.
Eine Abschaffung würde jedenfalls eine grundlegende Veränderung der Bundeswehr bringen, meinte Robbe. Dann gebe es auch keine Möglichkeit mehr, wie jetzt auf ein so breites Spektrum an Berufen und Ausbildung der Wehrpflichtigen zurückzugreifen.