Studie der Bertelsmann-Stiftung Kita-Beiträge belasten arme Familien

Berlin · Einkommensschwache Haushalte sind laut einer Bertelsmann-Studie proportional stärker von Kita-Kosten belastet als wohlhabende Familien. Die Kosten des Kita-Besuchs hängen vor allem vom Wohnort ab, weniger vom Einkommen - was in NRW deutlich zu sehen ist.

 Gummistiefel an einer Wand in einer Kindertageseinrichtung in Essen.

Gummistiefel an einer Wand in einer Kindertageseinrichtung in Essen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Es ist eine schlechte Nachricht für alle Familien, die ohnehin jeden Cent umdrehen müssen: Kita-Beiträge belasten arme Haushalte proportional stärker als wohlhabende. Das zeigt eine am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Bei Familien unterhalb der Armutsrisikogrenze verschlingen die Kosten demnach einen doppelt so hohen Anteil des Einkommens. Sie zahlen durchschnittlich 118 Euro im Monat für den Kita-Besuch – etwa zehn Prozent ihres Einkommens. Bei Eltern oberhalb der Grenze liegt der Anteil bei nur fünf Prozent, im Durchschnitt 178 Euro. Ähnlich ist die Belastung bei den monatlichen Zusatzkosten von 45 Euro für Ausflüge, Verpflegung und Bastelmaterialien.

64 Euro in Siegen, 252 Euro in Duisburg

Das Problem nach Ansicht der Forscher: Die Kosten des Kita-Besuchs hängen vor allem vom Wohnort ab, weniger vom Einkommen. So kann es sein, dass Eltern für die gleiche Betreuungsleistung in der einen Kommune höhere Beiträge zahlen als in der benachbarten. Auch in NRW variieren die Kosten laut Bund der Steuerzahler extrem: Für eine 45-Stunden-Betreuung von Kindern unter zwei und drei Jahren zahlen Eltern in Siegen nur 64 Euro, in Duisburg 252 Euro.

Durchschnittlich geben Familien in Nordrhein-Westfalen 6,4 Prozent ihres Einkommens für die Kita aus. Damit liegt NRW über dem bundesweiten Durchschnitt von 5,7 Prozent. Es gibt jedoch auch Haushalte, die von den Beiträgen befreit sind. In NRW müssen 17 Prozent der Familien die Kosten nicht selbst tragen, oftmals weil ihr Einkommen zu gering ist.

3,5 Milliarden Euro vom Bund

Kitas ohne Kosten sind nach Einschätzung der Forscher aber keine Lösung und könnten die Qualität mindern. Eine generelle Beitragsfreiheit würde den Staat nach ihren Berechnungen jährlich 7,3 Milliarden Euro kosten. Hinzu kämen 8 Milliarden Euro für den Aufbau von neuen Kita-Plätzen. Der Bund hat für die aktuelle Legislaturperiode bislang 3,5 Milliarden Euro zugesagt. „Bei der Kita-Finanzierung klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. „Dem politischen Versprechen der Beitragsfreiheit fehlt die finanzielle Substanz. Bundesweit fehlen Erzieherinnen und Erzieher und die Betreuungsschlüssel stimmen in vielen Kitas nicht.“

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hält am Ziel der Beitragsfreiheit in ihrem sogenannten "Gute-Kita-Gesetz" fest. “Der Bund engagiert sich erstmals in einer solchen Größenordnung in der frühkindlichen Bildung. Das ist ein großer Schritt“, sagt Giffey auf Nachfrage unserer Redaktion. "Eine zentrale Säule unseres Gute-Kita-Gesetzes ist der Einstieg in die Beitragsfreiheit. Auch das ist Qualität: Es darf nicht passieren, dass sich Eltern fragen müssen, ob sie es sich überhaupt leisten können, ihre Kinder in die Tagesbetreuung zu geben."

Gleichzeitig sollen die Arbeitsbedingungen des Personals verbessert werden. "Wir wollen eine Fachkräfteoffensive des Bundes auf den Weg bringen: mehr Ausbildungsvergütung und Schulgeldfreiheit, Qualifizierung und Umschulung für Quereinsteiger und Maßnahmen, um den Krankenstand zu verringern. An dem Konzept dafür arbeiten wir gerade", sagt Giffey. Wichtig sei aber auch eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher.

„Erst die Qualität und dann die Beitragsfreiheit“

Bertelsmann-Vorstand Dräger fordert stattdessen, dass nur einkommensschwache Familien von den Kita-Kosten befreit werden. Laut Schätzungen der Stiftung würde das rund 730 Millionen Euro jährlich kosten. Dräger fürchtet, dass ansonsten Personal und Ausstattung auf der Strecke bleiben. Er fordert, erst in die Qualität und dann in die Beitragsfreiheit zu investieren.

Offenbar sind die meisten Eltern auf seiner Seite: Mehr als die Hälfte aller Eltern in NRW wäre laut der Studie bereit, mehr für die Betreuung zu zahlen, wenn sich dadurch die Qualität der Kita verbessern würde.

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