Parteitag wählt Doppelspitze Kipping und Riexinger neue Linken-Chefs

Göttingen · In Kampfabstimmungen haben sich die ostdeutsche Katja Kipping und der westdeutsche Gewerkschafter Bernd Riexinger als neue Parteichefs der Linken durchgesetzt.

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Kipping kommt aus Sachsen, ist mit ihren Positionen, wie beispielsweise für ein bedingungsloses Grundeinkommen aber keine typische Vertreterin des pragmatischen ostdeutschen Flügels. Riexinger, Gewerkschafter mit großem Kampfgeist, kommt aus Baden-Württemberg und wird dem Lafontaine-Lager zugerechnet. Für die Ostdeutschen ist dieses Ergebnis eine Enttäuschung.

Riexinger setzte sich mit Prozent 53 Prozent gegen insgesamt vier Mitbewerber durch. Sein härtester Konkurrent war der ostdeutsche Pragmatiker Dietmar Bartsch, der zuletzt Kristallisationspunkt der heftigen parteiinternen Auseinandersetzungen der Linken war. Bartsch und Riexinger hielten beide starke Bewerbungsreden, die bei den Delegierten auf viel Beifall stießen.

Bartsch musste zuviel erklären

Bartschs Nachteil war, dass er in seiner Rede vieles erklären und verteidigen musste: Seine frühe Kandidatur, sein Verhältnis zur SPD und sein Verhältnis zu den Parteiflügeln. "Eine Partei, die Solidarität auf ihren Fahnen hat, kann doch nicht so agieren, wie wir in den letzten Wochen", mahnte Bartsch. Sein Herausforderer Riexinger konnte freier aufspielen, eine in die Zukunft gerichtete Rede halten. "Wir haben als Linke nur als Gesamtdeutsche Partei eine Chance", sagte er.

Kipping hatte sich zuvor mit 67 Prozent souverän gegen die Hamburgerin Dora Hayenn durchgesetzt. Zunächst wollte sie gemeinsam mit der NRW-Chefin Katherina Schwabedissen als weibliche Doppelspitze antreten. Die Westdeutsche hatte sich aber bereits am späten Nachmittag entschlossen ihre Kandidatur zurückzuziehen. Die beiden Frauen fürchteten sonst zum Spielball der Lager und der Männer in der Partei zu werden.

Kipping demonstrierte Unabhängigkeit

In ihrer Bewerbungsrede demonstrierte Kipping Unabhängigkeit. Aus Sicht des Lafontaine Lagers schuf sie damit ein Problem: Sie hatte zu einer Richtungswahl aufgerufen und zugleich das Signal gegeben, dass das Ost/West-Denken überwunden werden müsse.

Damit wäre der Weg frei gewesen für zwei Ostdeutsche an der Spitze der Partei. Während der Stimmauszählung der ersten Wahl zogen sich Parteigründer Oskar Lafontaine, seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht, der frühere Parteichef Klaus Ernst und der Kandidat des Radikalen-Lagers Bernd Riexinger bereits zur Beratung zurück.

Im Lager der radikalen Westlinken lagen die Nerven blank. Daher bat die frühere Wortführerin der parteiinternen Kommunistischen Plattform Sahra Wagenknecht vor dem Wahlgang um eine persönliche Erklärung. Sie sagte, sie werde nicht kandidieren. "Ich möchte die Polarisierung nicht auf die Spitze treiben, weil ich glaube, dass das unserer Partei nicht gut tut." Den kurzen Einwurf nutzte sie zugleich dazu, von einer Wahl des von ihr und dem restlichen Lafontaine-Lager verachteten Bartsch abzuraten.

Gysi sprach von "Hass"

Mit der neuen Führung ist der parteiinterne Konflikt entschärft, aber nicht beigelegt. Fraktionschef Gregor Gysi hatte am Nachmittag in einer brillanten und hoch emotionalen Rede von "Hass" in der Linken untereinander im Bundestag berichtet und die Lage als "pathologischen Zustand" beschrieben.

Offensichtlich wurde, dass das Tuch zwischen den beiden Parteigründern Lafontaine und Gysi zerschnitten ist. Lafontaine zeigte sich in seiner Rede zornig. Mit hoch rotem Kopf verbat er sich, dass in der Partei von Spaltung geredet werde. Eben dies hatte Gysi getan. Der Fraktionschef hatte Lafontaine in der Auseinandersetzung mit Bartsch lange die Stange gehalten. Die zahlreichen Bedingungen, die Lafontaine für eine eigene Kandidatur zum Parteichef stellte, wurden dem Fraktionschef zu bunt.

Als sich Gysi auf Bartschs Seite stellte, zog Lafontaine seine Kandidatur für die Parteispitze zurück. Seitdem stehen sich die Lager ostdeutsche und pragmatisch sowie westdeutsch und radikal unversöhnlich gegenüber. Riexinger setzte nach seiner Wahl ein Zeichen der Versöhnung und versprach, mit all jenen zuerst zu sprechen, die ihn nicht gewählt haben.

(RP)
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