Warnungen vorm Tragen der Kippa „Kann jeden verstehen, der sich nicht öffentlich sichtbar als jüdisch zu erkennen geben will“

Berlin · Wer in Deutschland eine Kippa trägt, setzt sich damit unter Umständen einer Gefährdung aus. Davor warnt der Zentralrat der Juden. Die israelitische Kultusgemeinde München richtet nun einen Appell an die Bundesregierung. Israel reagiert bestürzt.

 Ein Mann trägt eine Kippa (Archivfoto).

Ein Mann trägt eine Kippa (Archivfoto).

Foto: dpa/Uli Deck

Nach den jüngsten Äußerungen des Antisemitismus-Beauftragten zum Tragen der Kippa hat der Zentralrat der Juden auf die tatsächlich gefährliche Lage für jüdische Mitbürger in Deutschland hingewiesen. „Es ist seit längerem eine Tatsache, dass Juden in einigen Großstädten potenziell einer Gefährdung ausgesetzt sind, wenn sie als Juden zu erkennen sind“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Wochenende auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP.

Er habe „bereits vor zwei Jahren“ auf diesen Umstand hingewiesen, fuhr er fort. „Es ist daher zu begrüßen, wenn diese Situation auch auf höchster politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit erfährt.“

Schuster reagierte damit auf Äußerungen des Regierungsbeauftragten Felix Klein. Er hatte den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt, er könne „Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen“. Damit habe sich seine Meinung „im Vergleich zu früher leider geändert“. Der Regierungsbeauftragte begründete die Entwicklung mit einer „zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung“.

Schuster erklärte dazu, die Bekämpfung des Antisemitismus „muss sich die ganze Gesellschaft zu eigen machen“. Dafür sei es „höchste Zeit“. Die Kippa, eine kleine kreisförmige Mütze, wird von jüdischen Männern als sichtbares Zeichen ihres Glaubens traditionell den ganzen Tag lang getragen.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat die Bundesregierung aufgerufen, Juden in Deutschland ein Leben ohne Angst zu gewährleisten. „Die Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft ist heute groß, und ich kann jeden verstehen, der sich hierzulande nicht öffentlich sichtbar als jüdisch zu erkennen geben will“, teilte Knobloch der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag in München mit. „Mit diesem Zustand dürfen wir uns aber nicht abfinden.“

„Jüdisches Leben muss in ganz Deutschland ohne Angst möglich sein“, forderte Knobloch. Dafür brauche es ein gezieltes Vorgehen der Politik und einen Aufschrei gegen Judenhass aus der Gesellschaft. „Die staatlichen Stellen stehen auch weiterhin in der Pflicht, die Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland zu gewährleisten.“

Israels Staatspräsident hat bestürzt auf die Empfehlung des Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung reagiert. Reuven Rivlin teilte am Sonntag mit, dieser Rat von Felix Klein habe ihn „zutiefst schockiert“. Präsident Rivlin sagte weiter: „Die Verantwortung für das Wohl, die Freiheit und das Recht auf Religionsausübung jedes Mitglieds der deutschen jüdischen Gemeinde liegt in den Händen der deutschen Regierung und ihrer Strafverfolgungsbehörden.“ Die deutsche Regierung sei zwar der jüdischen Gemeinde verpflichtet, „aber Ängste über die Sicherheit deutscher Juden sind eine Kapitulation vor dem Antisemitismus und ein Eingeständnis, dass Juden auf deutschem Boden wieder nicht sicher sind“. Rivlin sagte, man werde im Angesicht des Antisemitismus nie kapitulieren, „und wir erwarten und fordern von unseren Bündnispartnern, ebenso zu handeln“.

Auch die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), hat sich besorgt über „die steigende feindliche und bedrohliche Stimmung gegen Juden“ geäußert, die sich auch in den Kriminalitätszahlen niederschlage. „Es muss alles getan werden, damit Juden ihre Religion ungefährdet und im Vertrauen auf den Rechtsstaat leben können“, forderte sie am Sonntag in Düsseldorf.

„Sich verstecken müssen ist keine Alternative“, fügte Leutheusser-Schnarrenberger mit Blick auf die aktuelle Debatte über die jüdische Kopfbedeckung Kippa hinzu.

2018 war die Zahl antisemitischer Straftaten bundesweit stark gestiegen. Der jüngste Jahresbericht zur politisch motivierten Kriminalität wies 1799 Fälle aus - 19,6 Prozent mehr als 2017.

(hebu/AFP/dpa)
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