Kabinett beschließt Reform Welche Familie bei der Kindergrundsicherung wie viel Geld erwarten kann
Berlin · Nach monatelangen Verhandlungen hat das Ampel-Kabinett den Gesetzentwurf von Familienministerin Lisa Paus zur Einführung der Kindergrundsicherung ab 1. Januar 2025 gebilligt. Alle wichtigen Fragen und Antworten zu der nach wie vor umstrittenen Reform.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat ein wichtiges Etappenziel erreicht: Das Kabinett beschloss am Mittwoch ihren Gesetzentwurf zur Einführung der Kindergrundsicherung. Die Reform soll helfen, die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinder-Regelsätze im Bürgergeld sowie Teile des Bildungs- und Teilhabepakets sollen zusammengefasst und leichter abrufbar gemacht werden. Zu der komplexen Sozialreform die wichtigsten Antworten.
Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit der Kindergrundsicherung?
Sie ist ein besonderes Anliegen der Grünen, aber auch SPD und FDP hatten sich im Koalitionsvertrag dahinter gestellt. Ziel ist es, echte und verdeckte Kinderarmut zu bekämpfen. Nach Angaben des Familienministeriums gibt es rund 2,9 Millionen armutsgefährdete Kinder. Das heißt, ihre Eltern verfügen über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens. Hinzu kommen weitere 800.000 junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren in armutsgefährdeten Familien sowie 1,9 Millionen Kinder im Bürgergeld-Bezug. Insgesamt könnten 5,6 Millionen Kinder und junge Erwachsene zusätzlich zum Kindergeld einen Zuschlag erwarten.
Wie sieht das Konzept aus?
Das Kindergeld von 250 Euro pro Kind und Monat heißt künftig Kindergarantiebetrag. Ihn bekommen auch ab 2025 weiterhin alle Eltern, die keine weiteren Leistungsansprüche haben, weil sie ein auskömmliches Einkommen erzielen. Wer dagegen einkommensschwach oder bedürftig ist, hat darüber hinaus einen Anspruch auf einen Zusatzbetrag pro Kind.
Wie viel mehr Geld wird es für Kinder ärmerer Familien geben?
Wie viel eine Familie für ihr Kind konkret bekommt, soll die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA), die in Familienservice umbenannt wird, anhand von Steuerdaten und anderer ihr vorliegender Daten mit einem „Kindergrundsicherungs-Check“ überprüfen. Sie informiert die Eltern über ihren Leistungsanspruch, der leichter abrufbar gemacht wird, und errechnet die Höhe des Zusatzbetrags. Er soll nach Alter des Kindes und Höhe des Einkommens gestaffelt werden. Die genaue monatliche Höhe hänge auch noch von der Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts zur Neudefinition des Existenzminimums von Kindern ab, die in diesem Herbst erwartet wird, so die Familienministerin. „Schreibt man die heutigen Werte etwa mit 15 Prozent fort, können die Kinder je nach Altersstufe ab 2025 wahrscheinlich bis zu 530 Euro (null bis fünf Jahre), 555 Euro (sechs bis 13 Jahre) und 636 Euro (14 bis 17 Jahre) erhalten“, heißt es in einem Hintergrundpapier des Ministeriums. Diese Beträge gelten für das Jahr 2025 und inklusive einer Wohnkostenpauschale für die Kinder.
Was kostet die Kindergrundsicherung den Steuerzahler?
Zusätzlich zu den bisherigen Ausgaben für Familien – 2022 gab der Staat knapp 48 Milliarden Euro allein für das Kindergeld aus – fallen durch die Kindergrundsicherung 2025 im ersten Jahr 2,4 Milliarden Euro an. Davon entfallen gut 400 Millionen auf die Verwaltungsarbeit. Die Ausgaben sollen in den kommenden Jahren stark wachsen, da die Kindergrundsicherung zunehmend in Anspruch genommen wird. 2028 sollen bereits Kosten von knapp sechs Milliarden Euro anfallen. Zudem sind weitere Kosten zu erwarten, wenn das Existenzminimum für Kinder neu berechnet worden ist. Auch wird das Bürgergeld inflationsbedingt steigen.
Wann soll die Kindergrundsicherung eingeführt werden?
Ministerin Paus strebt an, die neue Leistung zum 1. Januar 2025 einzuführen – dem Jahr der Bundestagswahl. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht aber von einem Start erst „im Verlauf“ des Jahres 2025 aus, wie die zuständige BA-Vorständin Vanessa Ahuja erklärte. Die Zeit sei nötig, um etwa die dafür notwendigen, komplexen IT-Lösungen zu programmieren. Im parlamentarischen Verfahren im Herbst könnten das Inkrafttreten sowie weitere Details noch geändert werden. Zudem muss auch der Bundesrat zustimmen.
Was kritisieren Sozialverbände?
Auf Druck der FDP ist ein Passus aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden, wonach Kinder von Asylbewerbern ab 2025 weiterhin 20 Euro pro Monat und Kind zusätzlich erhalten sollten. Der Betrag entspricht dem Corona-Sofortzuschlag, der in der Kindergrundsicherung aufgehen soll. Asylbewerber sind von der Kindergrundsicherung jedoch ausgeschlossen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband und andere wandten sich gegen eine Schlechterstellung von Asylbewerber-Kindern.
Was kritisieren Kommunalverbände?
Der Landkreistag fürchtet ein „Verwaltungs-Desaster“. Der Gesetzentwurf führe zur Überforderung der Familien, zu neuer Bürokratie und Doppelstrukturen. Die Möglichkeiten einer Verwaltungsdigitalisierung „in derart kurzer Zeit“ würden überschätzt. „Das Vorhaben führt zu einem übereilten und chaotischen Bürokratieaufbau. Wir setzen daher auf den Bundesrat und unterstützen die Länder dabei, diesem Vorhaben so nicht zuzustimmen“, sagte Präsident Reinhard Sager.