Nordkorea ruft den Kriegszustand aus Kim Jong Un: Was steckt hinter den Drohungen?

Medial wirksam inszeniert Nordkorea seine Drohungen gegen die USA und Südkorea. Experten sind sicher: Machthaber Kim Jong Un wird seinen wüsten Worten kaum Taten folgen lassen können. Hinter den aggressiven Tönen und den militärischen Reaktionen verbirgt sich offenbar ein gezieltes Taktieren im Kampf um Aufmerksamkeit.

Kim Jong Un als Feldherr
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Der Ton wird immer schärfer Das nordkoreanische Regime erklärte am Samstag, das Land sei im Verhältnis zu Südkorea in den "Kriegszustand" eingetreten. Jede Angelegenheit zwischen beiden Staaten werde ab sofort "nach den Vorschriften für Kriegszeiten" behandelt. Von einem Angriffsbefehl wurde zunächst nichts bekannt.

Nichts Neues

Das nordkoreanische Militär warte weitere Befehle von Machthaber Kim Jong Un ab, hieß es. Kims "wichtige Entscheidung" sei ein Ultimatum gegen feindliche Kräfte. Das Regime in Pjöngjang unterstellte den USA und Südkorea erneut, mit ihren gemeinsamen Militärübungen Vorbereitungen für einen Atomkrieg zu treffen. Im Süden nimmt man die verbalen Angriffe gelassen. Die Drohung sei nichts Neues.

In Nordkorea geht die Show indes weiter. Im ganzen Land rüsten sich Soldaten zum Kampf und versehen ihre Fahrzeuge mit Tarnnetzen. Die Propagandamaschine der kommunistischen Führung fährt groß angelegte Kampagnen: "Tod den US-Imperialisten", verkünden Plakate, und das Volk wird aufgerufen, mit "Waffen" zu kämpfen "statt mit Worten". Zuletzt versetzte Kim Jong Un sein Militär in Einsatzbereitschaft und ließ Raketen auf die USA und Südkorea richten.

Militärischer Selbstmord

Doch Kim und seine eine Million Mann starke Armee wissen selbst, dass ein Raketenangriff auf die USA einem militärischen Selbstmord gleich käme. Was Nordkorea mit seinen Provokationen und seiner aggressiven Rhetorik erreichen will, ist vor allem Aufmerksamkeit.

Aus dem Ausland will Kim Anerkennung für Nordkoreas Status als Atommacht erlangen und damit die USA und Südkorea unter Druck setzen. Die Regierung in Pjöngjang will zudem erreichen, dass die US-Soldaten koreanisches Gebiet verlassen. Raketen und Rüstung - so kostspielig und gefährlich sie sind - dienen Nordkorea als letzter Trumpf, um die USA an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Aus Washington kommen jedoch andere Signale. Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, teilte mit, die "kriegstreiberische Rhetorik" Pjöngjangs vertiefe allenfalls Nordkoreas internationale Isolation. Die USA seien in der Lage und bereit, ihre Interessen in der Region zu verteidigen.

Raketen in Position

Dass dem so ist, hat das US-Militär demonstriert. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Washington zwei atomwaffenfähige Tarnkappenbomber zu einem derzeit laufenden Manöver von US-amerikanischen und südkoreanischen Soldaten geschickt hat. Daraufhin ließ Staatschef Kim in einer medial ausgeschlachteten Aktion nordkoreanische Raketen in Position bringen.

Experten gehen jedoch nicht davon aus, dass Nordkorea in der Lage ist, die USA mit einer Atombombe anzugreifen. Narushige Michishita vom japanischen National Graduate Institute for Policy Studies sagt, Nordkorea habe bislang noch nicht erfolgreich interkontinentale Raketen getestet. Jedoch könnten Mittelstreckenraketen seiner Einschätzung zufolge US-Militärziele in Japan erreichen. Am naheliegendsten wäre aus seiner Sicht aber ein kleinerer Angriff an der koreanischen Westküste, der die USA nicht veranlassen würde, mit aller Macht militärisch einzugreifen.

Auf dem Niveau von Staaten in Subsahara-Afrika

So harsch die Drohungen aus Pjöngjang auch wirken mögen: Kims wichtigstes Publikum sind die Menschen in seinem Land. Während Nordkorea wirtschaftlich am Boden ist - das durchschnittliche pro-Kopf-Einkommen liegt auf dem Niveau von Staaten in Subsahara-Afrika - appelliert das Regime an das Nationalbewusstsein seiner Landsleute, indem es den Eindruck einer unmittelbar bevorstehenden Bedrohung weckt.

Seit Monaten arbeitet die Propagandaabteilung an den Vorbereitungen für den im Juli bevorstehenden 60. Jahrestag des Waffenstillstands mit den USA. Dieser gilt als einmalige Gelegenheit, um das Volk auf den noch jungen Führer Kim Jong Un einzuschwören.

So recht mögen offenbar auch die Nordkoreaner selbst nicht an den Ausbruch eines Krieges glauben. Wirtschaftlich stehen die Zeichen allem Anschein nach auf Frieden. Die nationale Fluggesellschaft Air Koryo stockte trotz der aufgeladenen Stimmung die Zahl ihrer Flüge im Frühling auf - um die erwarteten Touristenströme nach Pjöngjang abzufertigen. Kriegsrhetorik hin oder her - offenbar laufen Nordkoreas Geschäfte normal weiter.

(ap/csi/anch)
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