Wachsende Konflikte in der Außenpolitik Keine Atempause für die Neuen

Analyse · Ausgiebig sondieren, gründlich verhandeln und dann sorgfältig einarbeiten. Daraus wird für die Ampel nichts. Wie die Besorgnis beim Besuch des polnischen Regierungschefs bei der Kanzlerin klar machte, wachsen sich die Bedrohungen zur Kriegsgefahr aus. Von der Ukraine bis auf den Balkan.

 Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrem Gespräch im Kanzleramt.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrem Gespräch im Kanzleramt.

Foto: AP/John MacDougall

Es sieht nicht danach aus, als könne die neue Regierung in Ruhe an den Start gehen. Im Innern droht Rot-Grün-Gelb mit ihrem Vorsatz, eine intelligente Pandemie-Politik mit mehr Freiheiten und weniger Einschränkungen zu etablieren, unter der Corona-Welle regelrecht begraben zu werden. Und im Äußeren werden die Aggressionen immer bedrohlicher. Die Schlinge, die Russland um die Ukraine gezogen habe, werde immer enger, warnte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Donnerstag im Kanzleramt. Dabei ließ auch die scheidende Kanzlerin ihre diplomatische Zurückhaltung fallen und drückte ihr Bedauern darüber aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin ein hochrangiges Treffen im Normandie-Format zur Befriedung des Ukraine-Konfliktes zum Ende ihrer Amtszeit verhindert habe.

Offenbar hatte Merkel versucht, ihrem Nachfolger bessere Perspektiven in Deutschlands östlicher Nachbarschaft auf dem Tisch zu hinterlassen. Sie telefonierte in den letzten Tagen mit vielen Beteiligten. Gleichzeitig nahm Polen zeitgleiche Einladungen der Nato (an den Präsidenten) und des Kanzleramtes (an den Regierungschef) an, weil klar ist, welches Kalkül hinter dem offensichtlich mit Putin abgestimmten Vorgehen von Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko steckt: Die Stabilität Europas zu testen und möglichst zu schwächen. Folgerichtig tut Europa gut daran, als Gemeinschaft aufzutreten.

In der verbalen Verurteilung klappt das ganz gut. Merkel und Morawiecki sagten klar, worum es geht: Um den Missbrauch von Menschen als Waffe in einer „hybriden Attacke“. Und auch in Berlin ist kein Kurswechsel in dieser Frage zu erwarten, wie der polnische Gast gleich nach seinem Gespräch mit Merkel bei einem weiteren mit Olaf Scholz erfuhr. Der konnte darauf verweisen, dass die Politik, die er als Vizekanzler mitgetragen hatte, auch Richtschnur für seine Politik als Kanzler sein wird.

Was Rot-Grün-Gelb ab Seite 153 in ihren Vertrag aufgenommen haben, liest sich wie eine nahtlose Fortsetzung von Deutschlands Eintreten gegen die Bedrohungen aus Minsk und Moskau. Den Menschen in Weißrussland wird versprochen, ihren Wunsch nach Neuwahlen zu unterstützen, dem Regime im Gegenzug angedroht, den Zugang zu Finanzmitteln zu erschweren.

Die zunehmenden Spannungen in Bosnien lassen von Tag zu Tag mehr erkennen, dass hier Olaf Scholz im Kanzleramt und Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt von der ersten Minute herausgefordert sein werden. Lange vor dem Bürgerkrieg in Syrien hatte der Bürgerkrieg auf dem Balkan die erste größere Migrationsbewegung Richtung Deutschland ausgelöst.

Umso wichtiger wäre es, in Europa endlich zu einvernehmlichen Regeln für die Migration zu kommen. Nur millimeterweise hatten sich die EU-Staaten hier aufeinander zubewegt. Hier allerdings gibt es keine Kontinuität zwischen der Regierung Merkel und der von Scholz. Die Absichten zur vereinfachten und besser unterstützten Migration werden der neuen Regierung aus Europa schon bald den Vorwurf einbringen, den Pull-Effekt zu verstärken und ein gemeinsames Vorgehen zu erschweren.

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