Jahresbericht der Lebensmittelüberwachung Kein Ende bei Lebensmittelskandalen in Sicht

Berlin · Ob Pferdefleisch in der Lasagne, Erdbeeren mit Krankheitserregern oder der jüngste Aufruhr um einen mutmaßlichen Gammelfleisch-Händler in Niedersachsen: In Deutschland gehören Lebensmittelskandale beinahe zum Alltag.

Obwohl Kontrolleure Alarm schlagen und Verstärkung in den eigenen Reihen fordern, um den Druck auf Kriminelle in der Lebensmittelbranche zu erhöhen, tut sich die Politik bislang schwer. Die Vorsitzende der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz, Viola Neuß, versuchte es am Dienstag in Berlin mit einer Erklärung: "Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es weniger auf die Quantität als auf die Qualität der Kontrollen ankommt." Der Präsident des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Helmut Tschiersky, sieht die Wirtschaft in der Pflicht: Die Verantwortung für die Sicherheit der Produkte liege bei der Lebensmittelwirtschaft. Seine Behörde präsentierte den Jahresbericht der Lebensmittelüberwachung in Deutschland 2012.

Demnach haben die Lebensmittelkontrolleure - wie in den Vorjahren - nicht einmal die Hälfte aller Betriebe geprüft, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten oder verkaufen. 1,2 Millionen dieser Betriebe gab es 2012 in Deutschland, rund 43 Prozent davon gerieten ins Visier der Kontrolleure. Beanstandungen, meist bei der Hygiene, gab es in gut jedem vierten der kontrollierten Betriebe.

Angesichts dieser Zahlen fühlt sich der stellvertretende Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Matthias Wolfschmidt, an die Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" erinnert: "Jahr für Jahr wird bei den amtlichen Kontrollen jeder vierte Lebensmittelbetrieb beanstandet - ohne dass sich an dieser traurigen Quote irgendetwas verbessert." Mehr Kontrollen und mehr Kontrolleure würden aus seiner Sicht an den "verheerenden Hygienezuständen in der deutschen Lebensmittelwirtschaft" nichts ändern.

Nur Veröffentlichungen könnten helfen

Die einzige Möglichkeit, die seit Jahren gleich hohe Beanstandungsquote zu senken, sei die Veröffentlichung sämtlicher Kontrollergebnisse. "Solange Verbraucher nicht erfahren, wer die Gammelfleischhändler, Pferdefleischpanscher oder Schmuddelwirte sind, fehlt der Anreiz für die Betriebe, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten", sagte Wolfschmidt.

Neben Internet-Veröffentlichungen sei auch das sogenannte Smiley-System für Gaststätten effektiv. Es habe sich in Dänemark, aber auch in Großstädten in den USA und Kanada bewährt, ergänzte Foodwatch-Mitarbeiterin Anne Markwardt. Überall seien die Beanstandungsquoten deutlich gesunken. In Deutschland konnten sich die Zeichen - lachende und weinende Gesichter - als Hinweise für gute oder schlechte Hygiene nicht durchsetzen.

Doch der Präsident des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands (BVLK), Martin Müller, hält Smileys für sinnvoll, da sie es Kunden erlauben, "mit den Füßen abzustimmen" und den Hygiene-Druck auf Gaststätten zu erhöhen. Der Druck auf die Branche müsse auch durch mehr Kontrollen verschärft werden. Dafür fehlen aus seiner Sicht deutschlandweit aber noch 1500 Prüfer als Verstärkung für die derzeit 2450 Kontrolleure.

BVL-Präsident Tschiersky ermunterte Firmenmitarbeiter, Missstände anonym anzuzeigen. Auf den Internetseiten des BVL gebe es dafür ein Formular. Bislang sei es noch nicht sehr häufig genutzt worden.

(dpa)
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