Muslimische Prediger in Deutschland Fast alle Imame kommen aus dem Ausland

Exklusiv | Berlin · Nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ist keine adäquate Imam-Ausbildung in Deutschland in Sicht. Stattdessen kommen weiter die meisten Prediger aus dem Ausland. Die türkische Ditib stellt fast die Hälfte.

  Ein Imam betet in einer Hamburger Moschee (Archivfoto).

Ein Imam betet in einer Hamburger Moschee (Archivfoto).

Foto: dpa/Axel Heimken

In den rund 2000 Moscheen in Deutschland predigen nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung weiterhin zu rund 90 Prozent Imame aus dem Ausland. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) stelle fast die Hälfte der etwa 2500 Imame in ihren rund 1000 Moscheen, zahlenmäßig bedeutsam seien ferner die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs mit 323 Moscheen, der Verband Islamischer Kulturzentren mit etwa 300 sowie die Islamische Gemeinde der Bosniaken in Deutschland mit mehr als 70 Moscheen, heißt es in der Studie, die unserer Redaktion vorliegt. Die Imame stammten insbesondere aus der Türkei, Nordafrika, Albanien, dem ehemaligen Jugoslawien, aus Ägypten und dem Iran.

Einer der beiden Verfasser der Studie, Andreas Jacobs, sagte, das System der Entsendung von Imamen aus dem Ausland habe sich gesellschaftspolitisch überlebt, bestehe aber fort. Die von der Bundesregierung geplante Deutschpflicht als Einreisevoraussetzung für ausländische Geistliche sei „nicht viel mehr als eine Ausbesserungsmaßnahme“. Die allermeisten Imame verfügten weder über religiös-theologische Kompetenzen noch über ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten oder über eigene Ausbildungsinstitute, die Imame nach modernen Methoden und auf Deutsch ihre Arbeit in deutschen Moscheen vorbereiteten. Die Mehrheit werde aus dem Ausland bezahlt, lebe von Spenden oder arbeite ehrenamtlich.

Der Expertise zufolge reisen einzelne Prediger mit einem Touristenvisum für einen begrenzten Zeitraum ein. Sie hätten keinerlei Kenntnisse des Landes. Sie würden zum Teil von ausländischen Akteuren und Religionsbehörden wie der Al-Azhar in Kairo entsandt. Inzwischen sei auch wieder eine zunehmende Anbindung der Verbände an die Türkei und eine „gestiegene politische Autoritätshörigkeit der Imame und Funktionsträger“ zu verzeichnen. Ditib setze auf Abgrenzung und verstärke seine ohnehin enge Anbindung an Ankara weiter.

Ein Blick nach Frankreich zeigt laut der Studie, wie mit ausländischen Regierungen über mehrere elementare Bedingungen für die Entsendung von Imamen verhandelt werden könne. Dazu gehörten neben dem Nachweis von Sprach- und Landeskenntnissen auch eine politische Selbstverpflichtung und finanzielle Transparenz. Sollte eine solche Kooperation verweigert werden, gelte die Ablehnung des Visums als „wirksames Instrument, um als unerwünscht oder sogar gefährlich eingestufte Prediger an der Einreise zu hindern“. In Deutschland sei kein tragfähiges und allgemein akzeptiertes Modell der Ausbildung und Beschäftigung von islamischen Geistlichen in Sicht.

Jacobs betonte, es gehe nicht darum, mehr Druck auf die Verbände auszuüben. Vielmehr müsse die Bundesregierung selbst kreativ werden. In islamischen Ländern erfüllten Vorbeter ihre eng begrenzten Aufgaben unter genauer Kontrolle des Staates. In Europa seien Imame als Seelsorger, Erzieher, Sozialarbeiter und Integrationslotsen gefragt. Dafür bräuchten sie „mehr als eine klassische Ausbildung in türkischen, ägyptischen oder marokkanischen Religionsseminaren plus ein paar Grundkenntnissen der deutschen Sprache.“ Und sie bräuchten Berufsperspektiven und angemessene Gehälter, die von muslimischen Gemeinden in Deutschland finanziert werden müssten.

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