Nach dem Neustart in New York Das Leben des freien Herrn zu Guttenberg

Er war Hoffnungsträger der Politik, dann folgte der Absturz nach der Plagiatsaffäre. Karl-Theodor zu Guttenberg floh nach New York. Dort mischt er nun in der Tech-Branche mit. Eine Begegnung.

 Karl-Theodor zu Guttenberg.

Karl-Theodor zu Guttenberg.

Foto: Alex Trebus / photoselection

Bei dem Mann gibt es keine Grauzone. Schwarz oder weiß. Umjubelt oder verachtet. Star oder Blender. Dazwischen ist nichts, es geht um Karl-Theodor zu Guttenberg. Ex-Verteidigungsminister. Ex-Wirtschaftsminister. Ex-Kanzlerhoffnung der CSU. Ex-Doktortitelträger. Immer irgendwie "Ex".

Seit sechs Jahren lebt der Freiherr aus Franken im selbst gewählten Exil in New York. 2011 war er von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Plagiate in seiner Doktorarbeit. Eine Kommission der Universität Bayreuth urteilte, der Polit-Star, der zeitweise beliebter war als die Bundeskanzlerin, habe die wissenschaftliche Praxis grob verletzt und vorsätzlich getäuscht. Der Rest ist die Geschichte eines Absturzes.

Im Sommer 2017 war "KT", wie ihn Parteifreunde nennen, plötzlich wieder auf der politischen Bühne. CSU-Chef Horst Seehofer hatte ihn zum Wahlkampf nach Bayern geholt. Seehofer, der sogar mit dem Gedanken spielte, Guttenberg als Nummer eins der Liste für den Bundestag kandidieren zu lassen, testete dessen Resozialisierungsfähigkeit.

1500 Gäste kamen in die Stadthalle Kulmbach und umjubelten eine wenig überraschende Wahlkampfrede. Die "Bild"-Zeitung witterte ein "Comeback". 55 Prozent der Unionsanhänger wünschten sich in einer Umfrage die Rückkehr Guttenbergs. "Da bringt sich einer in Stellung", mutmaßte die "Zeit". Doch so wird es wohl nicht kommen. Bei den Planungen für eine Jamaika-Koalition spielt er keine Rolle. Und Seehofer ist geschwächt.

Alles wieder ein Fake?

Was aber will Guttenberg? Und was macht er da eigentlich in New York? Ein Treffen im edlen East-Village-Restaurant "Gramercy Tavern". Die Betuchten dinieren hier. Politiker, Wirtschaftsgrößen, gleich nebenan steht das Geburtshaus des US-Präsidenten aus New York, Theodore Roosevelt. Guttenberg trinkt einen Espresso. Drei-Tage-Bart, Khaki-Hose, Pulli. Kein Gel im Haar. Gerade hat er mit Gerhard Cromme, dem Siemens-Aufsichtsrat, zu Mittag gegessen. Nun also Fragen zu seinem Leben.

Er will vertraulich reden, keine Zitate. "Es ist genug Rummel da draußen", sagt er und lächelt gequält. An dem Tag erscheint in der "Berliner Morgenpost" ein Bericht über Guttenbergs 2013 gegründete Investment- und Beratungsfirma Spitzberg Partners, oder besser gesagt, ein Bericht über die Zweifel, ob es diese Firma so gibt. Die Reporter hatten vergeblich versucht, Details zu erfahren, und trafen im Berliner Büro des Unternehmens nur auf eine schweigsame Mitarbeiterin und einen Briefkasten. Also wieder alles Fake?

 Hadert mit seinem öffentlichen Bild: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Hadert mit seinem öffentlichen Bild: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Foto: Alex Trebus / photoselection

Guttenberg wiegelt ab, erzählt von seiner Aufbauarbeit in New York, von schrittweisen Erfolgen, vom eigenen Geld, das er investiert habe, von erfolgreichen Beteiligungen in der Tech-Branche. Er spricht leidenschaftlich über Big Data, über Start-ups, die mit künstlicher Intelligenz Call Center ersetzen, über "Blockchain", den Datenbank-Trend der Finanzindustrie. Guttenberg fühlt sich wohl in der smarten Welt der neuen Wirtschaft, die Dotcom-Begriffe sprudeln nur.

Auch von "Exits" spricht er, also dem (finanziell lukrativen) Ausstieg aus einem Start-up, das sich am Markt platziert hat. Geschäftszahlen könne er aber nicht nennen, das sei ja jenseits der Publizitätspflichten nicht üblich. Er hadert mit seinem öffentlichen Bild. Er weiß, dass er sich das Misstrauen der Medien selbst zuzuschreiben hat. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Guttenberg will kein Aufsehen

Nach ein paar Tagen willigt er doch ein, Fragen zu beantworten. Spitzberg Partners sei ein "Beratungsunternehmen für führende Unternehmen aus dem Digital- und Technologiesektor", sagt er. Dies geschehe gegen Honorar, oder - falls die Dienstleistung (noch) zu teuer sei, gegen Anteile. Man investiere "fünf- bis siebenstellige Dollarbeträge" auch "direkt in Technologieunternehmen". Im Internet lassen sich Spitzberg-Kunden finden, etwa das Start-up Ripple Labs oder ASAPP, eine 50-Mitarbeiter-Softwareschmiede aus Manhattan, die mit künstlicher Intelligenz operiert. Seine Firma habe "geopolitische und regulatorische" Expertise, sagt Guttenberg. Etwa zu Besonderheiten des EU-Datenschutzes. Hier kann der Ex-Minister helfen.

Und wie viel Mitarbeiter hat sein Unternehmen nun? "Mehr, als die meisten denken, und weniger, als wir eigentlich bräuchten." Er spricht von kleinen Teams in Zagreb und Berlin. In der Hauptverwaltung in New York sei die Führungsmannschaft größer. Warum er keine Zahlen nennt, bleibt unklar.

Diese Politiker schafften ein Comeback
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Foto: dpa, shp pat

In Berlin habe man aus markenrechtlichen Gründen nicht als Spitzberg Partners auftreten dürfen. Man strebe Wachstum in weiteren Märkten außerhalb der transatlantischen Region an. So sieht Guttenberg sein Engagement: als kleine, aber feine Erfolgsstory. Er will sich und seinen Kritikern beweisen, dass er mit solider Arbeit erfolgreich sein kann. Aber er will kein Aufsehen, er weiß, dass bei ihm alle ganz genau hinschauen.

Und eine Rückkehr in die Politik? "Bei dieser spannenden und erfüllenden Aufgabe, die ich gerade wahrnehmen darf?" Der 45-Jährige beantwortet die Frage mit einer Gegenfrage. Sicher ist man bei ihm nicht. Vielleicht ist man das bei diesem Mann nie mehr.

(brö)
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