Karl Lauterbach in Düsseldorf „Wir werden eine neue Welle haben“

Düsseldorf · Karl Lauterbach mahnt, sich vorzubereiten, ist aber zuversichtlich: „Im Herbst werden wir bessere Impfstoffe haben.“ Einen neuen Anlauf zur Impfpflicht soll es nicht geben, sagte er beim Ärzte-Talk „Düsseldorf IN“. Nun reist der Minister in die Ukraine.

 Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei „Düsseldorf IN – Ärzte im Gespräch.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei „Düsseldorf IN – Ärzte im Gespräch.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Das Geschenk, das Karl Lauterbach zum Start als Bundesgesundheitsminister erhielt, hätte treffender nicht sein können: Einen Nussknacker gab es am 8. Dezember, für die besonders harten Nüsse dieses Ministeriums. Und der Berg der Nüsse, die die Pandemie dem SPD-Politiker beschert, wird nicht kleiner. „Wir werden im Herbst eine neue Welle haben“, sagte Lauterbach am Mittwochabend bei der Veranstaltung „Düsseldorf IN – Ärzte im Gespräch“, zu der die Rheinische Post eingeladen hatte. Ob es bereits im Sommer eine neue Welle gebe, sei noch offen. Die Variante BA.5 breite sich aus.

Aus Lauterbachs Ankündigung zur Nussknacker-Übergabe, sein Ministerium werde in den kommenden Monaten die Pandemie beenden, wird also nichts. Das Virus lässt nicht locker. Gerade erst hat es Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erwischt. Lauterbach wünschte ihr von Düsseldorf aus alles Gute: „Sie gehört zum Team Vorsicht im Kabinett. Sie trägt keine Schuld.“ Auch ihn könne Corona jederzeit treffen, obwohl er vier Mal geimpft sei.

Nun muss Lauterbach das Land auf neue Corona-Wellen vorbereiten und zeigen, dass er es besser kann als sein Vorgänger Jens Spahn (CDU). Dazu gehört auch die Bestellung neuer Impfstoffe. Lauterbach ist zuversichtlich: „Wir werden im Herbst bessere Impfstoffe haben.“ Er sei mit Moderna und Biontech im Gespräch, Moderna habe vielversprechende Studiendaten vorgelegt. Und anders als Spahn will Lauterbach genug von allen denkbaren Vakzinen bestellen, damit die Bevölkerung Auswahl hat und jeder seinen Wunsch-Impfstoff bekommen könne. „Wir können uns das leisten. Da muss man ins Risiko gehen. Ich will mir später nicht vorwerfen lassen, dass ich die besten Impfstoffe nicht anbieten kann“, sagte er weiter. Der Minister hofft, so auch die Impfquote in der Bevölkerung erhöhen zu können. Konflikte mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht er nicht: Man respektiere gegenseitig die Nöte des anderen. Den Ärzten versprach er: „Ich sehe Sie nicht als Kostenfaktor, sondern als Kollegen.“

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Und Lauterbach stellt auch klar: „Einen neuen Anlauf zu einer allgemeinen Impfpflicht wird es nicht geben, er hätte keine Perspektive.“ Ein erster Versuch war gescheitert, im Bundestag hatte sich keine Mehrheit gefunden: „Hier sind wir als Bundestag falsch abgebogen, da müssen wir nun gemeinsam durch.“

Die Hoffnung war groß, als Lauterbach Minister wurde. Der Sozialdemokrat war der Popstar unter den Pandemiebekämpfern und hatte sich als Mahner einen Namen gemacht. Er kam als Mediziner, das machte ihn so glaubwürdig. Sein Spruch „Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum“ stand auch für die Demut vor der Wissenschaft und der Natur, die in der Pandemie viele Volten schlug.

Doch aus dem Mahner wurde der Minister, der viele Kompromisse schloss. Während Ärzte und Länder jetzt drängen, die Werkzeuge für den Herbst bereitzulegen, tritt der Koalitionspartner FDP auf die Bremse. Die Liberalen setzten früh ein Ende der Maskenpflicht in Innenräumen durch. Die FDP habe den Wunsch geäußert, dass die neue Fassung des Infektionsschutzgesetzes erst nahe am Auslaufdatum 23. September komme, sagte Lauterbach nun. Darin werde man dann Fragen regeln wie: Brauchen wir wieder eine Maskenpflicht, 2G- oder 3G-Regelungen? Auch die Teststrategie und die Zukunft der Gratis-Bürgertests müssten geklärt werden. Lauterbach will die vom Corona-Expertenrat der Bundesregierung vorgelegte Stellungnahme zur Grundlage nehmen. Das Gutachten werde „maßgeblich für unsere Pandemiebekämpfung im Herbst“, sagte er. „Wir werden auf Grundlage des Gutachtens zeitnah zu Empfehlungen kommen, mit denen wir den Herbst vorbereiten.“

Nun hofft Lauterbach, in der Bevölkerung Verbündete zu finden: „Die Sorgen vor Mutationen sind da. Viele würden strengere Maßnahmen im Herbst, wenn sinnvoll, wohl befürworten. Die Bürger sind vernünftiger als Teile der Politik“, schrieb er unlängst bei Twitter. In einem Punkt ist er zuversichtlich: „Schulen und Kitas werden wir nicht schließen“, sagte er in Düsseldorf: „Ich glaube nicht, dass das noch einmal angemessen sein könnte.“ Die Kinder hätten in der Pandemie viel gelitten.

Lauterbach hält an der Finanzierung der Impfzentren fest, auch wenn diese teuer und gerade kaum besucht sind. Am Dienstag wurden deutschlandweit 30.000 Impfungen gesetzt, darunter keine 1000 Erstimpfungen. Vorgänger Spahn hatte die Zentren im Spätsommer 2021 schließen lassen, um sie wenige Wochen später wieder hektisch öffnen zu müssen, als die erste Omi­kron-Welle über Deutschland hereinbrach.

Der SPD-Politiker kündigte an, dass er am heutigen Donnerstag zu einer Reise in die Ukraine aufbrechen werde. Er werde sich mit dem ukrainischen Gesundheitsminister treffen und wolle herausfinden, wie Menschen, die in dem „barbarischen Angriffskrieg“ Beine oder Arme verloren hätten, besser mit Prothesen ausgestattet werden könnten. Der Herr der harten Nüsse hat überall viel zu tun.

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