Beschlussvorlage für Corona-Gipfel Kanzler Scholz und Länder wollen Teil-Lockdown ab 28. Dezember

Analyse | Berlin · Erst nach Weihnachten wollen Bund und Länder Kontakte auch für Geimpfte stärker beschränken, wie aus einer Beschlussvorlage für den Gipfel am Dienstag hervorgeht. Die Ampel will offensichtlich keine schlechte Laune zum Fest verbreiten – ob die Strategie aufgeht?

 Bundeskanzler Olaf Scholz, Hendrik Wüst und Michael Müller nach der letzten MPK in Berlin.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Hendrik Wüst und Michael Müller nach der letzten MPK in Berlin.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Festlich wurde Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag in Rom vor dem Palazzo Chigi, dem Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi, empfangen. Beide sind erfahrene Krisenmanager. Als EZB-Chef rettete „Super Mario“ einst mit einer finanzpolitischen Bazooka den Euro. Scholz übernahm als Finanzminister diese Redewendung, als er unbegrenzte Corona-Finanzhilfen für bedrohte Unternehmen ankündigte.

Als Regierungschefs merken Scholz und Draghi nun, dass Geld alleine die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zwar lindern mag – doch dauerhaft zurückdrängen kann man das Virus nur durch Impferfolge und konsequentes Einhalten der Corona-Schutzregeln. Kurz vor Weihnachten drückt die Sorge vor einer unbeherrschbaren Omikron-Welle auf die Stimmung, in Rom, London, Den Haag und in Berlin. Dort wird am Dienstagnachmittag Scholz einen Krisen-Videogipfel mit den Ministerpräsidenten leiten. Während Scholz in Rom war, bereitete sein Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) gemeinsam mit den Ländern auf Grundlage der Empfehlungen des neuen Krisenstabes die Entscheidungen vor. Es soll härtere Regeln geben – für Ungeimpfte und Geimpfte. Das geht aus der unserer Redaktion vorliegenden Beschlussvorlage hervor.

Was planen Bund und Länder zur Eindämmung von Omikron?

Um die neue Welle mit der Omikron-Variante zu bremsen, sind weitere Beschränkungen der Kontakte vorgesehen. „Insbesondere Silvesterfeiern mit einer großen Anzahl von Personen sind in der gegenwärtigen Lage nicht zu verantworten“, heißt es in der Vorlage. Daher sollen nach Weihnachten ab dem 28. Dezember private Zusammenkünfte von Geimpften und Genesenen nur noch mit maximal 10 Personen erlaubt sein. Diese Obergrenze gilt für private Treffen in Innen- und Außenbereich. Kinder bis 14 Jahre sind ausgenommen. Sobald eine ungeimpfte Person an einer Feier teilnimmt, gelten die Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Personen: Das Treffen ist dann auf den eigenen Haushalt und höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes beschränkt. Bund und Länder rufen alle Bürger auf, sich vor Treffen an den Weihnachtsfeiertagen und Silvester vorsorglich selbst zu testen. Dies gelte auch für geimpfte Personen und „insbesondere für das Zusammentreffen mit älteren Personen“.

Kommt ein harter Lockdown wie in den Niederlanden?

Danach sieht es nicht aus. Gesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet zwar ab Januar mit deutlich steigende Fallzahlen aufgrund der der Omikron-Mutation. Schulen könnten aber geöffnet bleiben, voraussichtlich auch Restaurants. Kanzler Scholz hatte zuletzt jedoch mehrfach betont, dass es im Kampf gegen die Pandemie keine roten Linien gebe. Auf Druck der SPD sollen die zusätzlichen Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene erst nach den Weihnachtsfeiertagen in Kraft treten. "Wir wollen die Einladungen, die für Weihnachten ausgesprochen worden sind, nicht ad acta legen", sagte Parteichefin Saskia Esken.

Dürfen Clubs und Diskotheken offenbleiben?

Voraussichtlich nicht. „Clubs und Diskotheken („Tanzlustbarkeiten“) in Innenräumen werden geschlossen“, steht in der Beschlussvorlage. Allerdings liefen dazu noch Gespräche. Wer darauf hofft, an den Feiertagen mal für ein paar Stunden der Verwandtschaft zu entfliehen und mit Freunden auf der Tanzfläche zu entspannen, dürfte enttäuscht werden.

Bleibt das Böllerverbot bestehen?

Ja. Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester ist in diesem Jahr generell verboten. „Vom Zünden von Silvesterfeuerwerk wird generell dringend abgeraten, auch vor dem Hintergrund der hohen Verletzungsgefahr und der bereits enormen Belastung des Gesundheitssystems“, appellieren Bund und Länder.

Was ist mit Konzerten und Bundesligaspielen?

Hier zeichnete sich noch keine Einigkeit ab. Allerdings dürfte es bei überregionalen Sport-, Kultur- und vergleichbaren Großveranstaltungen weitere Einschränkungen geben. „Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen darf nur 30 bis 50 Prozent der Kapazität genutzt werden bis zu einer maximalen Gesamtzahl von [X] Zuschauenden“, ist in dem Entwurf zu lesen. Open Air sind ähnliche Vorgaben geplant. Ohne 2G oder 2G plus wird wohl gar nichts mehr stattfinden können. In Ländern mit einem hohen Infektionsgeschehen ist eine Absage von Veranstaltungen und Sportveranstaltungen ohne Zuschauer („Geisterspiele“) im Gespräch.

Was ist mit Impfungen?

Scholz und die Länder bitten Ärzte und Apotheken, auch an Feiertragen mit Hochdruck zu impfen: „Die Impfkampagne soll auch über Weihnachten, an den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester und an Silvester weiterlaufen.  Scholz will bis Jahresende 30 Millionen Impfungen erreichen (vor allem Booster) – bis Montag waren 26,2 Millionen geschafft.

Drohen Systemausfälle in Deutschland, wenn Experten wegen Omikron massenhaft in Quarantäne müssen?

Der neue Expertenrat im Kanzleramt warnt genau davor. Stark steigende Infektionszahlen und deren Folgen könnten mit Omikron ein Ausmaß erreichen, dass die kritische Infrastruktur (Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung) eingeschränkt sind. Das Bundesinnenministerium forderte am Montag alle Behörden auf, ihre Pandemiepläne auf den Prüfstand zu stellen. Bei der Bundespolizei sind von 50.000 Mitarbeitern aktuell aber nur knapp 800 in Quarantäne. Bei der Bundeswehr liegt die Impfquote bei über 90 Prozent, bei der Bundespolizei sind über 80 Prozent geimpft.

Was sagen die Ministerpräsidenten?

CSU-Chef Markus Söder kritisierte das Corona-Management der neuen Scholz-Regierung. Die jüngsten Signale aus der Ampel-Koalition seien widersprüchlich: „Mein Eindruck ist, die Ampel ist noch nicht im richtigen Corona-Rhythmus und Corona-Modus.“ Deutschland müsse vor die Corona-Welle kommen. Es sei ein "unglaublich schwerer Fehler" der Ampel gewesen, die epidemische Lage nicht zu verlängern. Inzwischen wurde das Infektionsschutzgesetz aber wieder verschärft. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte unserer Redaktion: „Niemand muss Weihnachten allein unter dem Weihnachtsbaum sitzen. Aber wir brauchen das gemeinsame Signal, dass noch mehr Vorsicht geboten ist.“

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