Kampfansage an Kauder Brinkhaus mischt Unionsfraktion auf

Berlin · Der Westfale Ralph Brinkhaus wirft überraschend seinen Hut in den Ring für die Wahl des Unionsfraktionschefs im Bundestag. Ausgerechnet der eigene CDU-Landeschef fährt ihm in die Parade. Über ein verwunderliches Vorpreschen und Blessuren der Kanzlerin.

 Ralph Brinkhaus (Archiv):

Ralph Brinkhaus (Archiv):

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Für Ralph Brinkhaus ist es das, was man eine Klatsche nennt. Wer am Ende aber die größeren Blessuren davontragen wird, ist noch nicht absehbar. Der überraschende Vorstoß des westfälischen CDU-Bundestagsabgeordneten bei Parteichefin Angela Merkel, ihn für die Wahl des Fraktionsvorsitzenden vorzuschlagen, wirbelt gerade kräftig Staub auf. Selbst mögliche Unterstützer von Brinkhaus waren nicht eingeweiht und reiben sich verwundert die Augen. Am Donnerstag erteilte ausgerechnet der eigene Landesvorsitzende und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet Brinkhaus eine Absage und eilte dem seit 13 Jahren amtierenden Bundestagsfraktionschef Volker Kauder aus Baden-Württemberg zu Hilfe. „Es gibt keine Notwendigkeit, Kauder abzulösen", sagte Laschet in Düsseldorf.

Das hätte auch von Merkel stammen können. Kauder ist ihr enger Vertrauter, ein Wechsel an der Spitze der Bundestagsfraktion bevor sie selbst ihre Ämter aufgibt, würde ihr diese ohnehin schon komplizierte vermutlich letzte Wahlperiode zusätzlich erschweren. Kauder hat auch schon angekündigt, bei der Vorstandswahl am 25. September auf jeden Fall zu kandidieren. Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich Merkel entscheiden wird. Die Kanzlerin ist aber gerade in Afrika und dürfte sich auf viele neue Entwicklungen einstellen wollen, nur nicht auf den nächsten Krach in der Fraktion. Im Sommer wäre diese beinahe am Asylstreit zerbrochen.

Gelebte Praxis seit vielen Jahren ist, dass Merkel gemeinsam mit CSU-Chef Horst Seehofer den Kandidaten vorschlägt. Das bedeutet aber nicht, dass niemand anderes antreten kann. Es käme eben zu einer Kampfkandidatur. Und da stellt sich die Frage, wer dadurch beschädigt werden würde. Kauder war lange von sehr guten Wahlergebnissen um die 90 Prozent verwöhnt. Doch vor einem Jahr erhielt er nur rund 77 Prozent der Stimmen – vermutlich auch ein Ausdruck der Enttäuschung in der Fraktion über das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl und Kauders Nibelungentreue zu Merkel, die wegen ihrer Flüchtlingspolitik intern scharf kritisiert wurde.

Brinkhaus wird in der Fraktion mindestens etwa ein Viertel der Stimmen zugetraut. Damit bliebe Kauder zwar im Amt, aber Brinkhaus könnte für den Rest der Legislaturperiode ein Stachel sein. Jene, die sich nach Veränderung in der Fraktion sehen, nach mehr Partei- und weniger Regierungsgefolgschaft, hätten ein neues Ventil.

Merkel ist durch die Ambitionen des 50-Jährigen Abgeordneten aus Gütersloh schon jetzt in der Bredouille. Schlägt sie ihn tatsächlich vor – was kaum einer glaubt – würde sie die Spekulationen über ihr eigenes Amtsende anheizen. Bleibt sie bei Kauder, dürften ihre Kritiker sie wieder als unflexibel und machtbesessen darstellen. Für Kauder, der am Montag 69 Jahre alt wird, wäre eine Kampfkandidatur und der damit verbundene Vertrauensverlust ein denkbar schlechter Start in vermutlich auch seine letzte Legislaturperiode.

Eigentlich sollte jetzt Ruhe in die Fraktion einkehren. Dass Brinkhaus die Stimmung nicht ausgelotet habe, bevor er zu Merkel ging, wird in der Fraktion von den einen als dilettantisch und von den anderen als fair gegenüber Kauder gewertet. Erschwerend für Brinkhaus, der als sehr guter Finanzpolitiker, aber nicht als Netzwerker gilt, kommt aber hinzu, dass der Einfluss seines Landesverbandes – der bundesweit größte – in Berlin bereits enorm ist. Neben Brinkhaus sind mit Carsten Linnemann und Hermann Gröhe noch zwei Nordrhein-Westfalen stellvertretende Fraktionschefs und mit Jens Spahn und Anja Karliczek zwei CDU-Politiker aus NRW im Bundeskabinett. Würde NRW auch noch den Fraktionsvorsitzenden stellen, dürften sich andere Landesverbände beklagen. Brinkhaus äußerte sich auf Anfrage nicht dazu, ob er nun antritt oder nicht.

Der jüngste Wechsel an der Fraktionsspitze nach einer Kampfansage, liegt ziemlich lange zurück. 2002 verzichtete Amtsinhaber Friedrich Merz auf eine erneute Kandidatur. Seine Herausforderin hieß: Angela Merkel.

(kd)
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