Super-Wahljahr 2009 Kampf um Krisenwähler

Berlin (RP). Das Super-Wahljahr 2009 wirft seine Schatten bereits voraus. Kandidatenfragen und Koalitionsaussagen werden derzeit quer durch die Parteien debattiert. Der kommende Wahlkampf, so viel steht fest, wird von der schweren Wirtschaftskrise dominiert. Für die Parteistrategen hat das Buhlen um den "Krisenwähler" längst begonnen.

Super-Wahljahr 2009: Die Termine
Infos

Super-Wahljahr 2009: Die Termine

Infos
Foto: AP

Es kommt nicht oft vor, dass Matthias Machnig ratlos ist. Der so selbstbewusste wie gewiefte SPD-Stratege, einst Bundesgeschäftsführer seiner Partei und Koordinator der legendären Wahlkampfzentrale "Kampa" 1998, gehört noch heute zu den einflussreichsten Persönlichkeiten in den Hinterzimmern der Hauptstadt-Politik. Das Super-Wahljahr 2009 bereitet Machnig indes Kopfzerbrechen.

Über allen Wahlen schwebt die Wirschaftskrise

15 Urnengänge in zwölf Monaten, von der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen bis zur Bundestagswahl. Und über allem schwebt die Wirtschaftskrise. "Die große Frage für die Parteien ist, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert", sagt Machnig. "Wir wissen es nicht. Es gibt keine Blaupause." Die ungelösten Fragen der Parteistrategen sind so vielfältig wie die Wählerschichten. Wer ist verantwortlich für die Krise? Ist sie ein "Gerechtigkeitsproblem" oder haben "nur" einzelne Manager versagt? Wie viel Marktwirtschaft ist gut? Klar scheint nur, dass der Erfolg der Parteien von dem "Krisen-Wähler" abhängen wird. "Die Gesellschaft ist verunsichert. Sie wird von Abstiegssorgen geplagt. Das wird im Wahlkampf alles andere überlagern", sagt Gero Neugebauer, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin (FU).

In den Parteizentralen von CDU und SPD werden deswegen eifrig geplante Strategien eingedampft und neue Slogans erdacht. Die Volksparteien setzen auf ähnliche Botschaften. Begriffe wie Sicherheit, Schutz und Verantwortung haben Hochkonjunktur in der Konjunkturkrise. "Wir erleben einen inhaltlichen Schwenk weg von ,sozialer Gerechtigkeit' hin zu ,Sicherheit'", sagt der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Wer Angst vor der eigenen Zukunft habe, "wählt streng inhaltlich nach der Devise ,Welche Partei bietet mir einen Ausweg'?", so Korte. Ein emotional zugespitzter Lagerwahlkampf fällt damit aus.

Den brauchen die Volksparteien ohnehin nicht, glaubt man den Wahlforschern. "Union und SPD können beide profitieren", sagt Neugebauer. Alleine schon, weil sie regieren. "Politische Führung ist ein entscheidender Faktor", bestätigt auch Politologe Korte. Vor allem Angela Merkels CDU dürfte punkten, sagt er. "Die Wirtschaftskrise ist die Krönung des Kanzlerbonus." Vorausgesetzt natürlich, der Kanzlerin unterlaufen in der Krisenbewältigung keine groben Fehler.

Krisenwähler tendieren zu großen Parteien

Die bundesrepublikanische Wahlgeschichte bestätigt die These, dass Krisen-Wähler zu den großen, regierenden Parteien tendieren. In wirtschaftlich und sicherheitspolitisch schwierigen Phasen scharen sich die Wähler hinter CDU oder SPD. So wie 1957. Mit der staatstragenden Botschaft "Keine Experimente" warnte CDU-Kanzler Konrad Adenauer vor einem Abrücken Deutschlands von den westlichen Verbündeten. Die CDU gewann mit absoluter Mehrheit. "Der Slogan traf die Grundstimmung Ende der 50er Jahre"" analysierte später der Politikberater Peter Radunski.

In der Nachkriegs-Zeit, unter ständiger atomarer Bedrohung, wählten die Deutschen den Politiker, der als enger Verbündeter des Westens auch für militärische Sicherheit stand. Die SPD profitierte später in anderer Form. "Die Wahl des Krisenmanagers Helmut Schmidt 1976 passt in diese Kategorie", sagt Korte. In der Öl- und Wirtschaftskrise hatte sich der amtierende SPD-Kanzler auf Plakaten als führungsstarker "Steuermann" in Szene gesetzt und blieb Regierungschef einer sozialliberalen Koalition.

Sehnsucht nach Führung und Sicherheit

Und 2009? Die Wahlkämpfer werden sich der Sehnsucht nach Führung und Sicherheit beugen. CDU und SPD legen ihren Fokus auf ihre Regierungs-Mitglieder. Merkels Getreue zitieren auffallend häufig den CDU-Wahlspruch von 1969 "Auf den Kanzler kommt es an" (damals Kurt Georg Kiesinger). SPD-Politiker kontern mit ihrem 69er Slogan: "Wir haben die richtigen Männer." Dahinter stehen die Pläne für eine Wahlkampftroika bestehend aus Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, Parteichef Franz Müntefering und Finanzminister Peer Steinbrück.

Wie der Kampf um die Krisen-Wähler am Ende ausgeht, betrachtet selbst der SPD-Politiker Matthias Machnig als "völlig offen". Nur eine Schlussfolgerung könne man schon jetzt ziehen, so Machnig mit einem Seitenhieb auf die Wirtschaftsliberalen. "Mit dem Slogan ,Mehr Markt' gewinnt keiner eine Wahl."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort