Lebensmittelversorgung in Deutschland „Es ist genug für alle da“

Düsseldorf/Berlin · Agrarministerin Julia Klöckner mahnt bei Einkäufen zu „Maß und Mitte“. Lebensmittel in Deutschland seien mehr als genug vorhanden. Experten sehen zudem keine Gefahr für eine Infizierung mit dem Coronavirus über Nahrungsmittel.

 Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU).

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU).

Foto: dpa/Annegret Hilse

Berlin Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat der Bevölkerung die Versorgung mit Lebensmitteln in der Coronakrise garantiert und Hamsterkäufe als unsolidarisch und verschwenderisch kritisiert. „Es ist genug für alle da“, betonte Klöckner am Dienstag in Berlin. Die Supermärkte blieben offen. Gezielte Falschmeldungen in sozialen Medien seien unverantwortlich. Sie legte Zahlen vor, wonach die deutsche Landwirtschaft beispielsweise mehr Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Käse, Getreide Schweinefleisch und Frischmilchprodukten produziert als die gesamte Bevölkerung verzehren kann. Der Selbstversorgungsgrad bei Kartoffeln liege bei 148 Prozent, bei Schweinefleisch bei 119 Prozent. Auch die Futterversorgung der Tiere sei gesichert. Die Ministerin bezeichnete die Landwirtschafts- und Ernährungsbranche aber als systemrelevant und forderte eine Notfallbetreuung auch für die Kinder dieser Mitarbeiter.

In NRW sind Hamsterkäufe nach Angaben von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) derzeit nicht zu beobachten. Er will die Grenzen zu Belgien und den Niederlanden vorerst offenhalten, weil Grenzschließungen die Lieferketten behinderten. Er stehe aber mit den Regierungschefs der Nachbarländer in engem Kontakt. Dem Vernehmen nach könnte es auch darum gehen, dass am kommenden Wochenende bei offenen Grenzen mit Einkaufstourismus zu rechnen ist. Das solle unbedingt vermieden werden. Um die Versorgung der Supermärkte zu sichern, hat NRW die Sonntagsfahrverbote für Lkw gelockert. Betroffen ist vor allem der Transport von Trockengütern wie haltbaren Lebensmitteln und Hygieneartikeln, die teilweise knapp sind. Von Mittwoch an schließen Cafés und Restaurants in NRW bereits um 15 und nicht erst um 18 Uhr, in Köln sollen die Restaurants komplett geschlossen werden, weil eine Überprüfung des geforderten Mindestabstands von zwei Metern zwischen den Tischen nicht möglich sei. Viele offene Sonntage in den Innenstädten wurden abgesagt.

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland, setzte sich bei dem gemeinsamen Auftritt mit Klöckner in Berlin für Lockerungen der Vorschriften für Sonntagsarbeit, Lenkzeiten von Lkw-Fahrern, des Lärmschutzes bei nächtlicher Entladung der Waren sowie für eine Überholspur für Lastwagen an den Grenzen ein. Auf die Frage, ob die Bundeswehr bei der Logistik gebraucht werde, antwortete Klöckner: „Ich würde mal die Kirche im Dorf lassen.“

Sorgen bereiten Klöckner und dem Präsidenten des Bauernverbandes, Joachim Rukwied die Engpässe bei den Erntehelfern. Viele Osteuropäer könnten wegen geschlossener Grenzen nicht nach Deutschland kommen. Nach Rukwieds Angaben brauchen die Spargel- und Obstbauern sowie die Nutztierhalter Hilfe von bis zu 300.000 Helfern in der Saison. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Marco Wanderwitz (CDU) sagte unserer Redaktion, „in Anbetracht der nun absehbaren in Deutschland bisher unbekannten Katastrophe sollten wir überlegen, ob nicht jene Arbeitskräfte aushelfen können, deren Arbeitgeber sie derzeit nicht beschäftigen können, weil ihre Geschäfte oder Kneipen beispielsweise geschlossen bleiben müssen“. Besser könnten etwa Kellner bei der Ernte helfen, als dass wertvolle Nahrungsmittel verrotteten. Klöckner schlug regional organisierte Jobbörsen dafür vor. „Wer kann und will, sollte unbürokratisch mit anpacken und Geld verdienen können.“

Der Vizevorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Christian von Boetticher, forderte, dass Beschäftigte seiner Branche bei Verdachtsfällen viel schneller als derzeit auf das Coronavirus getestet werden, weil sie sonst durch vorsorgliche Quarantäne unnötig lange ausfielen. Die Preise für die Lebensmittel stiegen in Folge der Pandemie in Deutschland erst einmal nicht, versicherte er. Das würde nur bei einer Rohstoffknappheit auf dem Weltmarkt passieren.

Zu Ängsten von Bürgern, sie könnten sich über Lebensmittel anstecken, sagte der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Andreas Hensel, solche Fälle seien bisher nicht bekannt. Auch über Importwaren und Bedarfsgegenstände sei eine Infektion nach derzeitigem Stand nicht möglich, weil das Virus an solchen Oberflächen quasi nicht überlebe.

Warum die Deutschen in erster Linie Nudeln und Toilettenpapier gehortet hätten, kann sich Klöckner nicht erklären: „Jede Kultur hat ihre spezifischen Hortungseigenschaften. Psychologisch bin ich da überfragt.“ Der Handel werde leere Regale zeitnah wieder auffüllen.

(kd)
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