Kampagne gegen Kindesmissbrauch Sexuelle Gewalt gegen Kinder – Drei von vier kennen ihre Peiniger

Berlin · Drei Viertel der Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch finden im familiären und sozialem Umfeld statt. Eine neue Aufklärungskampagne soll darauf aufmerksam machen. Familienministerin Lisa Paus und die Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, stellten diese am Donnerstag in Berlin vor.

 Sexuelle Gewalt von Kindern und Jugendlichen gibt es vor allem im sozialen Umfeld der Betroffenen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (l.) und Kerstin Claus, Beauftragte für Fragen sexuellen Missbrauchs, haben dazu am Donnerstag eine entsprechende Aufklärungskampagne vorgestellt.

Sexuelle Gewalt von Kindern und Jugendlichen gibt es vor allem im sozialen Umfeld der Betroffenen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (l.) und Kerstin Claus, Beauftragte für Fragen sexuellen Missbrauchs, haben dazu am Donnerstag eine entsprechende Aufklärungskampagne vorgestellt.

Foto: dpa/Demy Becker

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche kann es überall geben – auch und gerade im familiären Umfeld. Darauf will die neue Kampagne des Bundesfamilienministeriums und der Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, aufmerksam machen. „Wir wollen das Thema Missbrauch im eigenen Umfeld sichtbar machen“, sagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung der Kampagne am Donnerstag in Berlin.

Laut der aktuellen Polizeistatistik gab es im vergangenen Jahr 15.500 Fälle von Kindesmissbrauch. Die Dunkelziffer sei jedoch ungleich höher, so Paus. Schätzungen gehen davon aus, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind. Etwa drei Viertel der Fälle von sexuellem Missbrauch finden im sozialen Nahraum der Kinder statt. Diese Fakten würden viele jedoch wegschieben, „weil wir uns das nicht vorstellen können und wollen“, sagt Paus.

Das Ergebnis einer Forsa-Umfrage zeigt: 90 Prozent der Befragten halten es für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet, während jedoch 85 Prozent es für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen halten, dass das ihre eigene Familie betrifft. Aus diesem Grund brauche es die Aufklärungskampagne, so die Bundesfamilienministerin.

Ein großes Problem von Kindesmissbrauch in der Familie ist zudem, dass Kinder dem schwieriger entfliehen können. „Kinder können ihre Familie nicht verlassen, wie den Sportverein oder die Musikschule“, sagt Claus. Auch deshalb sei die Kampagne ein wichtiger Schritt. „Kinder sind abhängig von den Menschen um sie herum. Und sie brauchen den Schutz von Erwachsenen“, ergänzt Paus.

Neben einer Informationskampagne über Fernsehen, Radio und die Sozialen Medien soll die mehrjährige Kampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“ lokale Netzwerke und kommunale Initiativen stärken. Dazu wird auch ein Kampagnenbüro gegründet. Dabei soll das Handlungswissen der Bevölkerung gestärkt werden. „Nur, wer Missbrauch als reale Gefahr erkennt und sich informiert, kann auch wirkungsvoll handeln, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche besser vor Missbrauch zu schützen“, ist Claus überzeugt. Finanziert wird die Kampagne mit fünf Millionen Euro jährlich. Wichtiger Partner ist zudem der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen.

Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, hält die Kampagne für dringend geboten. „Wir sind leider alle versucht, sexualisierte Gewalt in die Welt außerhalb der Familie und des Freundeskreises zu verweisen. Niemand will sich vorstellen, dass der freundliche Nachbar oder gar ein Familienmitglied ein Täter sein könnte“, sagt Hilgers und ergänzt: „Wer sich davor verschließt, lässt betroffene Kinder im Stich. Deshalb hoffe ich, dass diese Kampagne viele Menschen erreicht.“

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