CSU setzt sich durch Kabinett beschließt Betreuungsgeld

Berlin · Das Kabinett hat das umstrittene Betreuungsgeld auf den Weg gebracht. Eltern, die ihr Kind in keine staatlich geförderte Betreuung geben, bekommen ab 2013 hundert Euro. Die Opposition läuft Sturm. Vor dem Kanzleramt erntet Merkel Schmäh-Kritik.

Herdprämienprotest im Dirndl vor dem Kanzleramt
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Das Kabinett Merkel hat das Gesetz zur Einführung des Betreuungsgeldes gebilligt. Zeitgleich demonstrierten vor dem Kanzleramt die Jugendorganisationen von SPD, Grünen und DGB. Weibliche Teilnehmer erschienen im Dirndl und brachten Bügeleisen, Puppen oder Töpfe mit. Eine Verbildlichung des Begriffs "Herdprämie", mit dem sie seit Monaten das Betreuungsgeld attackieren. Aus ihrer Sicht zementiert das Betreuungsgeld ein veraltetest Familienbild, das Frauen hinter dem Herd halten soll.

Nach dem Willen der Regierung soll der Bundestag das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschieden. Die erste Lesung soll am 15. Juni stattfinden.

Eltern, die die Betreuung ihrer Kleinkinder selbst organisieren und kein staatlich gefördertes Angebot in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen, sollen das Betreuungsgeld erhalten.

Das Betreuungsgeld soll ab 1. Januar 2013 zunächst nur für Kinder im zweiten Lebensjahr mit 100 Euro monatlich starten. Ab 2014 soll das Geld auch für Kinder im dritten Lebensjahr gezahlt und für alle auf 150 Euro monatlich erhöht werden.

Auch für Berufstätige

Die neue Leistung wird nach dem Gesetzentwurf auch dann ausbezahlt, wenn beide Elternteile berufstätig sind und Großeltern, Verwandte, Freunde oder ein Au-pair-Mädchen das Kind betreuen.

Beantragt werden kann das Betreuungsgeld bei den Elterngeldkassen der Kommunen. Bei Hartz-IV- oder Sozialhilfe-Empfängern wird das Betreuungsgeld von der Gesamtleistung wieder abgezogen.

Nach dem überarbeiteten Gesetzentwurf sind für das Betreuungsgeld 2013 rund 300 Millionen Euro eingeplant. Ab 2014 werden Aufwendungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, ab 2015 dann 1,2 Milliarden Euro erwartet.

CSU jubiliert

Die CSU, die auf die neue Familienleistung gedrängt hatte, gab sich vor der Kabinettsentscheidung selbstbewusst. "Es gibt ein klares Bekenntnis der christlich-liberalen Bundesregierung zum Betreuungsgeld. Das ist gut so. Die Hartnäckigkeit der CSU hat sich ausgezahlt - gegen Ideologie und für eine gerechte, moderne Familienpolitik in Deutschland", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der Nachrichtenagentur dapd.

Eltern bräuchten die bestmögliche Unterstützung unabhängig davon, wie sie ihr Familienleben organisieren. Dazu gehöre das Betreuungsgeld genauso wie der Anspruch auf einen staatlich geförderten Kinderbetreuungsplatz, betonte sie. Wer hier einen Gegensatz konstruiere, tue dies auf Kosten der Familien. "Wir werden den Gesetzentwurf nun zügig beraten und vor der Sommerpause beschließen", erklärte Hasselfeldt.

Opposition zieht alle Register

Die Opposition hat bereits massiven Widerstand angekündigt. Die Redetexte für empörte Reaktionen waren bereits verfasst: "Heute ist ein schlechter Tag für die Familien, denn wir machen hier eine Rolle rückwärts", sagte SPD-Vize Manuela Schwesig dem TV-Sender Phoenix. Das Geld solle in Kita-Plätze und "nicht darin investiert werden, sein Kind nicht in eine Kita zu schicken".

Das Gesetz müsse auch im Bundesrat abgestimmt werden. Dies wolle die Regierung aber umgehen, um eine Abstimmungsniederlage und damit ein Scheitern zu vermeiden, so die Sozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns. "Wenn der Gesetzentwurf im Bundestag ist, werden wir natürlich eine Verfassungsklage prüfen."

Grünen-Chef Cem Özdemir warf der Regierung vor, eine "breite gesellschaftliche Mehrheit, die das Betreuungsgeld mit guten Gründen ablehnt", zu ignorieren. Er appelliere an die "Vernunft der kritischen Koalitionsabgeordneten, diesem widersinnigen Gesetz im Bundestag nicht zuzustimmen. Im Bundesrat hätte diese Gesetz keine Mehrheit", sagte Özdemir.

Web-Kampagne läuft

Noch am gestrigen Montag appellierten die Gegner an die Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition, den umstrittenen Gesetzesentwurf im Bundestag abzulehnen. Im Internet ist der Aufruf unter der Adresse neinzumbetreuungsgeld.de zu finden.

"Wir brauchen keine Anreize, Kinder von zusätzlicher Förderung fernzuhalten und vor allem Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf zu erschweren", heißt es in dem Appell. Die Abgeordneten der Koalition sollten bei der entscheidenden Bundestagsabstimmung "Verantwortungsbewusstsein" zeigen.

Das Vorhaben war bis zuletzt auch koalitionsintern heftig umstritten. Die FDP hat sich ihre Zustimmung teuer bezahlen lassen. Im Koalitionsgipfel am Montag ließ sie sich die Einführung einer staatlichen Förderung einer privaten Pflegeversicherung zusichern.

Unruhe in der CDU

Auch viele in der CDU liefen gegen das Betreuungsgeld Sturm. Noch vor wenigen Tagen rasselte es mächtig, als nicht weniger als fünf Ministerien gegen den Gesetzentwurf von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) Vorbehalte erhoben. Auch Unionsfrauen zeigten sich nachhaltig verärgert. Ob sie sich klaglos mit der ungewohnten Basta-Politik der Kanzlerin abfinden werden, bleibt fraglich.

Streit gab es in der Regierung zunächst auch über die Frage, ob das Betreuungsgeld von zunächst 100 Euro und später 150 Euro monatlich ab dem 1. Januar 2013 gezahlt werden soll, oder ob es erst, wie auch der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab 1. August 2013 gilt. In diesem Punkt setzte sich das Familienministerium durch, wonach das Betreuungsgeld ab dem 1. Januar gezahlt wird. Die Opposition geißelt das als Beruhigungspille für Eltern, die zum Stichtag keinen Kita-Platz bekommen.

Schröder hofft auf Ruhe im Karton

Auch die Wirtschaft spricht sich gegen das Betreuungsgeld aus. In ihren Augen bildet die Förderung für Frauen einen Anreiz, nicht arbeiten zu gehen.

Familienministerin Schröder hofft, dass der Beschluss des Kabinetts die Debatte beruhigt. "Das Ergebnis dürfte die weiteren Beratungen in den Koalitionsfraktionen ein gutes Stück erleichtern", sagte Schröder. Sie setze darauf, dass die Debatte sich nun voll auf den Kita-Ausbau konzentriere. Ohne ein bedarfsgerechtes Angebot an Kitaplätzen gebe es keine Wahlfreiheit.

(APD)
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