Rücktritt von Müller-Piepenkötter gefordert JVA Siegburg: Druck auf Ministerin steigt

Düsseldorf (RP). Nach dem Foltermord in Siegburg fordern jetzt auch die Grünen den Rücktritt von Roswitha Müller-Piepenkötter. Die Justizministerin der CDU will von der Vielzahl der Gewaltdelikte in den NRW-Gefängnissen nicht gewusst haben.

Die Ministerin wirkt genervt. Nein, sie habe noch keinen Kontakt mit der Familie von Hermann H. aufgenommen. Nein, es gebe keinen Grund, jetzt alle Selbstmorde unter die Lupe zu nehmen. Rücktritt? "Ich sehe meine politische Verantwortung darin, die Vorfälle aufzuklären, Schlüsse zu ziehen und diese umzusetzen."

Sondersitzung des Rechtsausschusses im Düsseldorfer Landtag, gestern Nachmittag. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) soll die Abgeordneten über neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Foltermord in der JVA-Siegburg informieren. Viel Neues erfahren die Parlamentarier nicht. Müller-Piepenkötter verweist auf laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, lässt ihre Ministerialbeamten antworten. Deren Statements lösen bei der Opposition Kopfschütteln und heftige Proteste aus. NRW stehe im Strafvollzug an einem "sehr guten Punkt", erklärt ein Abteilungsleiter.

Die Ministerin räumt ein, nach ihrer Amtsübernahme im vergangenen Jahr lediglich von vier Gewalttaten in NRW-Gefängnissen erfahren zu haben. Eine Richterin habe ihr gesagt, sie lehne es ab, Jugendliche in U-Haft zu schicken, um diese vor Gewalt zu schützen. Die Ministerin habe ihre Fachleute gefragt, ob Gewalt häufiger vorkomme. "Eine klare Antwort gab es nicht", so Müller-Piepenkötter.

Eine Aufstellung, die unserer Zeitung vorliegt, listet seit 2005 mehr als 50 Beschwerden aus der Haftanstalt Siegburg auf. 16 Einträge befassen sich mit Prügeleien, Vergewaltigungen, Mordversuchen. In der Dusche sollen zwei Gefangene versucht haben, einen Mithäftling mit einer Gabel abzustechen. In einem anderen Fall wurde ein Gefangener mit einem Bleihandschuh bewusstlos geschlagen. Das Justizvollzugsamt sah keinen Anlass, den Gefängnisleiter seines Amtes zu entheben. Die Ministerin will von nichts gewusst haben.

Die SPD erneuerte ihre Rücktrittsforderung. Erstmals schlossen sich auch die Grünen an. "Die Ministerin hat ihre Chance, einen klaren Kurs zu fahren, vertan", sagte Johannes Remmel, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen. "Die Ministerin ist nicht in der Lage, die lückenlose Aufklärung zu gewährleisten."

SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger erklärte, Müller-Piepenkötter habe den Mord "durch ihr Nichtstun zumindest begünstigt".

CDU und FDP verteidigten die Justizministerin. FDP-Rechtsexperte Robert Orth unterstrich, er könne nicht erkennen, dass die Ministerin ein konkretes Verschulden treffe.

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