Interview mit Julia Klöckner "Martin Schulz bewegt sich im Unkonkreten"

München · Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner wirft dem designierten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz Populismus vor. Im Interview mit unserer Redaktion spricht sie zudem über die Obergrenzen-Debatte und den Wahlkampf der Union mit Merkel.

 Julia Klöckner (Archivaufnahme vom Oktober 2016).

Julia Klöckner (Archivaufnahme vom Oktober 2016).

Foto: dpa, nie sab rho

CSU-Chef Seehofer wollte im Dezember eine Neujustierung der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik, im Januar erst eine Einigung darüber, bevor man sich trifft. Nun treffen Sie sich. Wann war denn die Einigung?

Klöckner Uns eint unsere Überzeugung, dass Sicherheit und Verlässlichkeit wichtig sind, innere wie soziale Sicherheit. Bei der Obergrenze haben wir unterschiedliche Sichtweisen. Das muss man aushalten, es gibt ja weit mehr Themen. Wir wollen die Polizei besser ausstatten, wir wollen die Verfassungsschutzämter besser koordinieren. Es bringt doch nichts, uns länger beim Symbolbegriff Obergrenze aufzuhalten.

Aber was hat denn den Weg zum Treffen frei gemacht?

Klöckner Die klare Einsicht, dass wir nur gemeinsam stark sind. Für mich stand das Treffen nie zur Debatte. Es geht um die Frage, wie wir eine soziale und eine innere Sicherheit hinkriegen, sodass sich Jung und Alt in Deutschland gut aufgehoben fühlen. Wir müssen dafür sorgen, dass es keinen Nährboden für das Anheizen von diffusen Ängsten gibt, weil man sich und seiner Kinder Zukunft nicht mehr sicher ist.

Wird denn die CDU in eine Koalition eintreten, die sich eine Obergrenze vornimmt?

Klöckner Ich fänd es spannender, sich nicht immer nur auf einen Begriff zu konzentrieren. Die Bandbreite ist wichtiger. Die Menschen werden uns nicht wählen, weil nun Obergrenze drin steht oder nicht, es geht um das Gesamtkonzept für Deutschland.

Bleibt die Obergrenze die Achillesferse des Unionswahlkampfes?

Klöckner Ach Herr Mayntz, das hängt davon ab, ob die Medien sich auch für die relevanten Dinge interessieren ...

...oder von den Bürgern, die wissen wollen, wofür die Union denn nun steht...

Klöckner Die Union steht für solide Finanzen, für die Absicherung des Lebensabends, für die Pflege im Alter, für eine gut ausgestattete Polizei, für Forschung und Innovation, für Familien. Da gibt es vieles, bis hin zum Integrationspflichtgesetz, für das die Union steht und wo die SPD auf der Bremse steht.

Sie haben die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz hinter sich, Armin Laschet hat sie in NRW vor sich, was kann er aus Ihren Erfahrungen lernen?

Klöckner Dass er einer Regierungschefin nicht eine 180-Wende durchgehen lässt, sondern klar benennt, wo Wankelmütigkeit ist. Wir waren in Rheinland-Pfalz gegenüber Frau Dreyer anständig, haben ihr zu viel durchgehen lassen. Sie war gegen Abschiebung, gegen sichere Herkunftsländer, gegen die Integrationspflicht. Frau Kraft agiert ähnlich, das muss man thematisieren. Auch in NRW hat der Umgang mit Polizei und Verfassungsschutz durch Rot-Grün ernsthafte Folgen. Der Bund ist nicht an allem Schuld, Vieles ist Ländersache, und da erkennen Sie schnell, wer wo regiert.

Die Abstände zwischen Union und SPD schwinden in den Umfragen rapide. Was macht das mit Ihnen?

Klöckner Ich rate uns, ihn ernst zu nehmen, aber gelassen zu bleiben. Herr Schulz ist neu, hat sich in der Innenpolitik noch nicht unbeliebt gemacht. Bisher bewegt er sich im Unverbindlichen, im Unkonkreten. Schauen wir doch mal genauer hin, wofür er steht: für die Vergemeinschaftung der Schulden in der EU. Das wird die Mehrheit sicherlich nicht teilen. Wer im Übrigen allen alles verspricht, punktet vielleicht am Anfang, aber auf Dauer wird es unglaubwürdig. Aber wenn er an seinem Zug zum Pauschalen und zum Populismus festhält, werden wir ihm das nicht durchgehen lassen. Wenn der ehemalige EU-Parlamentspräsident sagt, es muss in Europa gerechter zugehen, dann frage ich, wo Herr Schulz die vergangenen zwei Jahrzehnte gewesen ist, nicht in Brüssel? Glauben Sie mir, wir haben einen Plan, die bessere Kandidatin und werden einen ordentlichen, fairen Wahlkampf führen.

Haben Sie Respekt vor Martin Schulz?

Klöckner Ja, da ich der Meinung bin, dass wir grundsätzlich respektvoll miteinander umgehen sollten. Auch mit Mitbewerbern, und gerade mit denen, die sich eine solche Kandidatur antun und bereit sind, im Feuer zu stehen. Das ist auch ein Dienst an der Demokratie.

Werden Sie ihm in München etwas entgegenstellen?

Klöckner In München beschäftigen wir uns mit Inhalten, den wichtigen Fragen: Wie können wir Familien, Alleinerziehende, mittlere und kleine Einkommen entlasten? Was können wir zum Beispiel auch von Bayern lernen, Heimat zu bewahren und zugleich an der Spitze der Innovation zu stehen? Wie sichern wir den Wirtschaftsstandort Deutschland und Arbeitsplätze, den ländlichen Raum oder die Gesundheitsversorgung?

Was hat Merkel, was Schulz nicht hat?

Klöckner Sie neigt nicht zum Populismus. Hat große Erfahrung, ist uneitel, Angela Merkel nimmt sich nicht so wichtig. Sie denkt analytisch vom Ende her und nicht zuerst für die Schlagzeile. Das ist in Zeiten wie diesen sehr viel wert.

Fürchten Sie, dass eine "Zwölf Jahre sind genug"-Stimmung aufkommen könnte?

Klöckner Zwölf Jahre, das ist relativ. Sind zwölf Jahre Wohlstand genug? Nein. Zwölf Jahre wachsende Beschäftigung und abnehmende Jugendarbeitslosigkeit? Nein. Zwölf Jahre solide Finanzen? Sicherlich nicht. Es geht um die Frage, ob die Bürger mit der SPD einen Richtungswechsel wollen, also weg von soliden Finanzen, von Arbeitsplatzsicherheit und von Maß und Mitte. Kontinuität und Verlässlichkeit, keine Abschottung positives Reden über Europa, Freiheit und Frieden - das ist die Grundlage für Wohlstand, dafür stehen wir.

Gregor Mayntz führte das Interview.

(may-)
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