CSU startet Landesgruppenklausur in Kloser Seeon Jünger, weiblicher, offener - die Konturen der neuen Union

Seeon · Angela Merkel und Horst Seehofer treten als Parteichefs ab. Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder übernehmen. Bei der Jahresauftaktklausur der Christsozialen ist zu besichtigen, wie sich das auf die Bundespolitik auswirken kann.

 Alexander Dobrindt (Mitte), CSU-Landesgruppenchef, eröffnet die Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon. Neben ihm sitzen Horst Seehofer (links), Bundesinnenminister, und Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern.

Alexander Dobrindt (Mitte), CSU-Landesgruppenchef, eröffnet die Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon. Neben ihm sitzen Horst Seehofer (links), Bundesinnenminister, und Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern.

Foto: dpa/Matthias Balk

Seeon soll am Jahresanfang für die CSU die Schlagzeilen bringen, so wie die Christsozialen das früher mit ihrer Landesgruppenklausur von Wildbad Kreuth aus beherrschten. Doch dieses Mal liefern zwei andere Orte die ersten emotionalisierenden Debatten des Jahres. Amberg und Bottrop. Die Stadt in der Oberpfalz liegt 169 Kilometer entfernt, die Stadt im Ruhrgebiet gar 559 Kilometer, doch gleich zu Beginn der CSU-Klausur sind beide Orte ganz nah, spielen sie in den Auftakt-Äußerungen von Ministerpräsident und Demnächst-CSU-Chef Markus Söder und Innenminister und Noch-CSU-Chef Horst Seehofer eine wichtige Rolle. Und sie markieren erste Veränderungen, die der Wechsel an der Spitze der Regierungspartei mit sich bringt.

Der Gastgeber und Regisseur der Klausur, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, hat sich vorgenommen, das von Seehofer als „Jahr der Erneuerung“ ausgerufene 2019 zum „Jahr der Chancen zu machen“ und sich damit gegen AfD und Linke und Grüne zu positionieren, die nach seiner Überzeugung versuchten, ein „Jahr der Angst“ daraus zu machen und daraus parteipolitischen Profit zu ziehen. „Bottrop“ und „Amberg“ werden somit zu aktuellen Belegen für das Schüren von Ängsten und Aggressionen.

Und wie geht die CSU damit um? Söder fährt als erster wichtiger Gast der Landesgruppe vor und macht bei Minus zwei Grad sein Konzept für das politische Jahr klar. Der künftige Parteichef sagt zwar in Bezug auf Amberg auch, dass es „keine Perspektive“ für diejenigen in Deutschland gebe, die ihr Gastrecht missbrauchten. Und er versteht unter „gut regieren“, nun die Polizeipräsenz in Amberg „massiv“ zu erhöhen und alle rechtsextremistischen Versuche, die Tat zu missbrauchen, aufs schärfste zu verurteilen. Er mahnt aber zugleich zu Besonnenheit. Das sei das beste für eine Balance aus Humanität und Ordnung.

Wenig später trifft auch Seehofer ein. Er hat unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Gewaltexzesse von drei jungen Afghanen und einem jungen Iraker Gesetzesverschärfungen gefordert, um schneller und leichter Abschieben zu können. Einerseits überprüften seine Mitarbeiter sehr genau, wie mit den vier Tätern von Amberg umzugehen sei. Andererseits erarbeiteten seine Fachleute eine „verfassungskonforme“ Novelle zur erleichterten Abschiebung. Noch im Januar werde er den Entwurf vorlegen und dann sehen, was in der Koalition durchgesetzt werden kann.

Da werden die ersten Unterschiede deutlich. Seehofer, der am 19. Januar nach der Wahl von Söder zu seinem Nachfolger als Parteichef eine „großes“ Aufgabe weniger haben aber als Bundesinnenminister eine „wichtige“ weiter ausfüllen werde, setzt seinen Willen an den Anfang und schaut dann auf das Können, also auf das, was daraus in den Verhandlungen der Experten in den Fraktionen wird. Söder hat hingegen bereits mit seinen künftigen Amtskolleginnen Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU und Andrea Nahles von der SPD „kommuniziert“ und berichtet in Seeon, dass die beiden die Frage nach Konsequenzen aus Amberg „ähnlich“ sähen.

Erste Unterschiede dann auch hinter verschlossenen Türen. Seehofer redet lange. Sehr lange. Aber ein klares Konzept erkennen die wenigsten Zuhörer. Söder versucht Mut zu machen. „Die CSU muss Volkspartei bleiben - dazu müssen wir mitten hinein in die Zukunftsthemen“, erklärt der Neue. Dafür gibt es viel Applaus. Er setzt auf Harmonie, spendet Seehofer große Anerkennung für die geleistete Arbeit. Nach dem Eindruck von Teilnehmern „überschlagen“ sich beide mit gegenseitigem Lob.

Einig sind sich Seehofer und Söder bei der künftigen Aufstellung von CDU und CSU. Ein solcher Großkonflikt zwischen den Schwesterparteien wie im vergangenen Jahr soll sich nicht wiederholen. „Streit lähmt, Streit langweilt und Streit nervt“, sagt Söder. Und Seehofer ergänzt, die Geschlossenheit sei das „höchste Gut“ der Union.

Das unterstreicht die Landesgruppe in den nächsten Tagen, wenn CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in Seeon mitdiskutiert. Dabei ist auch die Abschiedsstimmung mit Händen zu greifen. Wenn Seehofer etwa darauf hinweist, dass er mit allen für die Klausur vorbereiteten Beschlusspapieren übereinstimme - und dann die Einschränkung hinterherschickt, soweit sie ihm „zugänglich“ gewesen seien, dann ist das der sachte Hinweis darauf, dass der Noch-Parteichef in die Vorbereitungen schon nicht einmal mehr voll eingebunden wurde Und dann zeigt sich Seehofer bei seiner 39. Landesgruppenklausur besonders dankbar für den Umstand, dass er auch weiterhin an den Sitzungen der Landesgruppe teilnehmen dürfe, auch wenn er bald nicht mehr Parteichef sei. Ein Scheidender wird bescheiden.

Sein Vermächtnis für die Frage, wie es die CSU in Zukunft hinkriegt, gleichzeitig ihr eigenes Profil zu schärfen und die Gemeinschaft der Unionsparteien zu praktizieren, lautet schlicht: „Politik ist immer ein Kunstwerk“, und hier gehe es darum, den Spagat zwischen Profilierung und Geschlossenheit verträglich zu machen. Ein Kunststück, das Seehofer nun wirklich nicht immer gelang. Söder ist längst weiter, will die CSU „jünger, weiblicher und offener“ machen. Das ist eine Ansage auch für die Landesgruppe. In der freuen sich nicht wenige auf den neuen Parteichef. „Der ist kraftvoll, entschlossen und voll motiviert“, fasst ein Abgeordneter die erste Rede von Söder zusammen. Über Seehofer ist das auch gesagt worden. Aber das ist länger her.

(may)
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