Wahlkampfauftritt in Berlin Joschka Fischer versteht die Deutschen nicht mehr

Jahrelang wollte Joschka Fischer von seiner Partei nichts mehr wissen. In Berlin machte er eine Ausnahme, es geht um Stimmen bei der Europawahl. Auf der Podiumsdiskussion geht er mit den "Putin-Verstehern" hart ins Gericht.

Joschka Fischer versteht die Deutschen nicht mehr
Foto: dpa, bvj axs

Das Verhältnis Fischer — Grüne war zuletzt eigentlich keines mehr. Nur selten gab es in den vergangenen Jahren Berührungspunkte, geschweige denn öffentliche Auftritte im Dienste der Partei. Doch wenige Tage vor der Europawahl ließ sich Fischer überraschend auf ein Comeback als Galionsfigur ein.

An der Seite der Spitzenkandidatin für die Europawahl, Rebecca Harms, zeigte sich der ehemalige, inzwischen 66-jährige Außenminister bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Friedensmacht Europa - Herausforderung Ukraine". Parteichef Cem Özdemir moderierte.

Schon schnell wird deutlich: Fischer hat sich nicht verändert. Als Partei-Schönredner taugt er nicht. In dem kleinen Saal breche alte Konfliktlinien auf: Auf der einen Seite Fischer, ernüchterter Realpolitiker und seit dem Kosovokrieg ein Außenminister, der einen Bruch des Völkerrechts in Kauf nahm. Auf der anderen Seite grüne Pazifisten. Damals schimpften sie auf Fischer, weil er mit Waffengewalt im Kosovo vorgehen ließ. Heute werfen sie dem Westen vor, mit seiner harten Haltung gegenüber Putin die Lage in der Ukraine noch zu verschärfen. Und wissen dabei einen großen Teil der Deutschen hinter sich.

Fischer hat für die in Deutschland so weit verbreiteten russlandfreundlichen Ansichten, die sogenannten "Putin-Versteher", kein Verständnis. Deren Argument, man dürfe doch nicht zulassen, dass sich da zwei Blöcke gegenseitig hochschaukeln, hält er für Augenwischerei.

Nichts fürchte er mehr als eine Eskalation durch Schwäche. Schon früh will er geahnt haben, was Putin wirklich umtreibt: Die Sehnsucht nach alter Größe und die Angst, dass der Maidan-Protest bis nach Moskau schwappen könnte.

Fischer selbst ist es, der in der Diskussion im Saal, daran erinnert, wie fremd ihm die überzeugten Pazifisten schon früher gewesen sind. Der "Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden" der Grünen sei er ja "traditionell immer sehr eng verbunden gewesen", sagt er. Nicht ohne sicherheitshalber klarzustellen: "Das war ironisch gemeint."

(pst)
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