Grüne Joschka Fischer verkündet politischen Rückzug

Berlin (rpo). Außenminister Fischer steht für ein Spitzenamt in Partei und Fraktion nicht zur Verfügung, falls die Grünen in die Opposition gehen. Fischer verkündete in Berlin: "Ein Lebensabschnitt, ein 20-Jähriger, geht zu Ende, ein neuer beginnt." Fischer erklärte auch, er werde sein Bundestagsmandat annehmen, "ob für eine ganze Legislaturperiode, das muss man sehen".

Neue Jobs für Joschka
15 Bilder

Neue Jobs für Joschka

15 Bilder

Für die meisten im Saal war die Überraschung groß. Erst herrschte Totenstille, dann erhielt der heimliche Vorsitzende, der die Grünen als Spitzenkandidat in den Wahlkampf geführt hatte, minutenlang stehende Ovationen. Hinter den Kulissen begann bereits der Machtkampf.

Fischer zog die Konsequenz aus dem Verlust der Mehrheit für Rot-Grün bei der Wahl vergangenen Sonntag. "Mit der Unterschrift unter den hessischen Koalitionsvertrag habe ich Freiheit für Macht eingetauscht. Jetzt will ich meine Freiheit zurückhaben."

Zwar will sich der Noch-Außenminister nicht komplett aus der Politik zurückziehen. Sein Bundestagsmandat nimmt er an, wie er erklärte. Doch ob er es für die gesamte Legislaturperiode behalten will, darauf legte er sich nicht fest. Auch ein Ministeramt für den Fall einer weiteren Regierungsbeteiligung der Grünen schloss er nicht definitiv aus. Allerdings hält er diesen Fall für unwahrscheinlich. "Bleiben Sie Realist!", antwortete er auf eine entsprechende Frage.

Zwar wollen die Grünen Sondierungsgespräche mit SPD und Union über eine Regierungsbeteiligung führen. Doch eine Ampelkoalition mit SPD und FDP lehnen die Liberalen vehement ab. Und eine so genannte Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen halten die Grünen selbst für eine unrealistische Variante. "Das sind Gespräche, keine Koalitionsverhandlungen", betonte Parteichefin Claudia Roth. Auch die Basis steht einem solchen Projekt eher ablehnend gegenüber, wie ein Abgeordneter berichtete. Fischer bestritt, dass er mit seinem Rückzug den Weg für schwarz-grün-gelbe Sondierungen freimachen wollte. Beides habe "nichts miteinander zu tun".

Die Ankündigung des Außenministers zum Rückzug kam insofern überraschend, als er noch während des Wahlkampfes in einem Interview beteuert hatte, er werde nicht den Opa aus der Muppet-Show machen und von einer hinteren Bank aus sich ins laufende Geschehen mischen. Dies war als Ankündigung interpretiert worden, dass er den Fraktionsvorsitz übernehmen wolle. Jetzt versicherte Fischer den alten und neuen Abgeordneten, er sei "erwachsen und erfahren genug, um nicht von hinten und von vorne reinzuregieren". Für eine Neuaufstellung werde jetzt Klarheit gebraucht.

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne"

Die Stellungnahmen der Parteichefs Claudia Roth und Reinhard Bütikofer klangen bereits wie ein Nachruf: "Ohne Joschka Fischer wäre die Partei sicher nicht da, wo sie heute ist", sagte Roth. Er habe "gezeigt, dass Politik Spaß machen kann", er habe die Partei für breite Teile der Bevölkerung geöffnet und bewiesen, dass die Grünen keine Ein-Generationen-Partei seien. Als einen "Einschnitt in die grüne Parteigeschichte", bezeichnete auch Bütikofer den Schritt des Außenministers.

Das Geschacher um sein Erbe begann unmittelbar nach Fischers Abgang. Um den Fraktionsvorsitz bewarben sich Verbraucherministerin Renate Künast und Umweltminister Jürgen Trittin. Auch die noch amtierenden Fraktionschefinnen Katrin Göring-Eckardt und Krista Sager wollten sich nicht einfach so aus der ersten Reihe verdrängen lassen. Zumindest Göring-Eckardt meldete ihren Anspruch direkt an, wie aus Teilnehmerkreisen verlautete.

Künast sagte: "Ich habe meinen Hut in den Ring geworfen." Sie mache sich allerdings nicht die Illusion, Fischers Fußstapfen "exakt identisch ausfüllen" zu können. Fischers Abgang bedeute einen "Generationenwechsel". Wenn die Partei eine starke Führungsfigur verliere, bedeute dies einen Neuanfang. Sie zitierte Hermann Hesse mit den Worten: "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort