Interview mit Bayerns Innenminister Herrmann „Die EU muss alle Ein- und Ausreisen registrieren“

Berlin · Die CDU hat den CSU-Politiker und bayerischen Innenminister Joachim Herrmann zu ihrem Werkstattgespräch über die Flüchtlingspolitik an diesem Sonntag und Montag eingeladen. Im Interview mit unserer Redaktion sagt er, was er dort einbringen will.

 Joachim Herrmann am Eingang zur Parteizentrale der CSU in München vor einer Vorstandssitzung.

Joachim Herrmann am Eingang zur Parteizentrale der CSU in München vor einer Vorstandssitzung.

Foto: dpa/dpa, shp

Freuen Sie sich auf das Werkstattgespräch bei der CDU über die Flüchtlingspolitik?

Herrmann Ich bin sicher, dass das interessant wird. Es ist ein spannendes Thema, und natürlich weiß ich noch nicht, was da alles kommen wird.

Was werden Sie für die CSU einbringen?

Herrmann Aus meiner Sicht geht es vor allem darum, dass wir Fluchtursachen bekämpfen. Da müssen die Initiativen zur Entwicklung in Afrika, zur Bekämpfung von Hunger wesentlich intensiviert werden. In den allermeisten Fällen haben die Menschen, die aus Afrika zu uns kommen, keine Gründe für Asyl, aber wirtschaftliche Not und Hunger. Das muss angepackt werden, nicht indem wir einen Plan machen, sondern indem wir sehr schnell handeln.

Planen Sie, weitere Themen anzusprechen?

Herrmann Wir brauchen eine klare Kontrolle darüber, wer in die Europäische Union einreist. Ich komme gerade aus Washington zurück, wo wir über diese Sicherheitsfragen geredet haben. In den USA hat man nach den Anschlägen von 2001 ein umfassendes Registrierungssystem für alle Ein- und Ausreisen geschaffen. Das funktioniert dort hervorragend. Auch die EU braucht dringend ein solches Ein- und Ausreiseregister. Das betrifft nicht nur die Flüchtlingsfragen. Das betrifft jeden, der mit einem Touristenvisum irgendwo einreist. Von dem weiß heute kein Mensch, ob der nach drei Monaten auch irgendwo wieder ausreist oder wo er sich gerade aufhält. Das ist schon aus Sicherheitsgründen unerträglich und muss konsequent geändert werden.

Wird es beim Werkstattgespräch auch um eine Art „Vergangenheitsbewältigung“ gehen?

Herrmann Ich werde mich mit der Vergangenheit nicht beschäftigen. Die Bewertungen der Jahre 2015 und 2016 sind hinreichend ausgetauscht. Keiner kann die Vergangenheit ändern. Wichtig ist, dass wir für die Zukunft eine klare Linie haben, die die Bevölkerung nachvollziehen kann. Dazu gehört das klare Bekenntnis, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen darf. Dazu gehört auch die Obergrenze, die wir vor einem Jahr versprochen und die wir gehalten haben. Wir haben 200.000 gesagt, der Koalitionsvertrag hat das als „Korridor“ übernommen und jetzt sind wir bei rund 160.000 Flüchtlingen – allen Unkenrufen zum Trotz konnte die Obergrenze also deutlich unterschritten werden. Unser Ziel ist jetzt, die Zahlen noch weiter nach unten zu bringen, daran arbeiten wir.

Hat die Flüchtlingspolitik das Potenzial, für die Union zu dem zu werden, was für die SPD die Agenda 2010 ist, also zur Spaltung beiträgt?

Herrmann Nein. Wir haben klare Signale der beiden neuen Parteivorsitzenden von CDU und CSU, dass mit der Streiterei Schluss sein muss. Wir werden immer mal wieder verschiedener Meinung sein, aber konsequent und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Vor dem Hintergrund habe ich mich über die Einladung zum CDU-Werkstattgespräch gefreut. In der Regierung muss man den Menschen Lösungen anbieten, hier hat die SPD Fehler gemacht. Wer in der Regierung ist und bleiben will, darf sich nicht wie eine Oppositionspartei aufführen.

Dann sehen Sie nicht, dass Sonntag und Montag auch eine Abrechnung mit Merkel und ihrer Politik erfolgen könnte?

Herrmann Ich werde es jedenfalls nicht tun, aber ich weiß nicht, wer in der Diskussion was sagen wird. Mein Ansatz ist, dass wir uns über Problemlösungen unterhalten, nicht über Vergangenheitsbewältigung.

Dann ist die Spaltungsdrohung zwischen CDU und CSU in Sachen Flüchtlingspolitik für immer vom Tisch?

Herrmann Wenn wir ein gutes, klares, überzeugendes Konzept für die Zukunft haben, dann gibt es dafür keinerlei Anlass. Wir hatten doch letztes Jahr bereits die Situation, dass wir uns über einundsechzigeinhalb von 63 Punkten im Masterplan einig waren. Wir sollten in der Zukunft das Gemeinsame mehr in den Vordergrund stellen, wenn das überwältigend überwiegt.

Sehen Sie weitere Lehren, die in Sachen Flüchtlingspolitik noch zu ziehen sind?

Herrmann Wir können feststellen, dass das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf) seine Abläufe wieder einigermaßen im Griff hat. Die waren zeitweise durch die großen Zahlen auch überfordert. Jetzt gibt es wieder geordnete Abläufe, wie das die Deutschen gerade von ihrem Staat erwarten. Der neue Bamf-Chef Sommer macht einen Super-Job. Das gehört auch dazu: das Vertrauen der Menschen in die Funktionsfähigkeit des Staates wiederherzustellen.

Ist bei der Integration noch mehr zu tun?

Herrmann Auf jeden Fall. Wir sind zum Beispiel bei der Vermittlung von anerkannten Flüchtlingen in Arbeit schon gut vorangekommen. Nach einer Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit für 2018 sind rund 300.000 Personen aus den acht Haupt-Asylherkunftsländern sozialversicherungspflichtig beschäftigt also rund 93.000 mehr als 2017. Aber deutlich mehr als Hunderttausend, die dem Arbeitsmarkt unmittelbar zur Verfügung stehen, haben noch keinen Job. Das ist ein großes Thema für dieses Jahr.

Müssen sich die beiden neuen Parteichefs deutlicher von Merkel absetzen, um CDU und CSU besser aufzustellen?

Herrmann Wir alle haben eine zukunftsfähige, starke, überzeugende Politik zu formulieren. Da geht es nicht darum, zu irgendwem auf Abstand zu gehen. Da geht es um die Erwartung in beiden Parteien, dass CDU und CSU mit ihren neuen Chefs auch in neuer Stärke agieren.

Können Sie sich vorstellen, Markus Söder auch eine Art Werkstattgespräch für die CSU zu empfehlen?

Herrmann Wir haben unterschiedliche Gespräche geführt. Bei diesem Thema haben wir keinen starken Diskussionsbedarf. Aber Markus Söder hat angekündigt, eine intensive innerparteiliche Diskussion zu fördern. Dafür gibt es viele Themen - von der Digitalisierung bis hin zur Frage, wie sich die CSU beim Klimaschutz stärker profilieren kann.

Im Koalitionsvertrag hatten Sie sich mit der SPD auf Ankerzentren in allen Regionen verständigt. Muss da noch mehr kommen außerhalb Bayerns?

Herrmann Wir haben das jedenfalls umgesetzt. Das war schon ein merkwürdiges Verhalten der SPD, dass sie das kritisierte, obwohl sie es mit beschlossen hat. Es bleibt Sache jeden einzelnen Landes, wie es diese Aufnahme und Verfahren organisiert. Verschiedene Länder sagen, dass sie es längst genauso machen wie wir, es nur anders nennen. Ich kann das nicht beurteilen, ich weiß nur, dass das Konzept der Einrichtungen richtig ist. Wir machen positive Erfahrung damit, die Verfahren werden deutlich effektiver.

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