Interview mit Joachim Herrmann "Flüchtlinge nach Afrika bringen"

Berlin · CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann will mehr Abkommen mit Afrika nach dem Muster EU-Türkei. Und im Kampf gegen den Terror soll Whatsapp kontrolliert werden, fordert der bayerische Innenminister im Interview.

Joachim Herrmann: "Flüchtlinge nach Afrika bringen"
Foto: dpa, mbk lof

Herr Herrmann, viele Landespolitiker empfinden die politischen Gepflogenheiten in der Hauptstadt als befremdlich. Geht Ihnen das auch so?

Herrmann Berlin hat seinen eigenen Stil. Wer hier agieren will, muss sich darauf einstellen. Das kann ich.

2011 hätten Sie Bundesinnenminister werden können. Sie wollten aber nicht. Sieht das jetzt anders aus?

Herrmann Nach dem Rücktritt von Karl Theodor zu Guttenberg kam das für mich überraschend. Dass ich nicht nach Berlin gegangen bin, hatte private Gründe. Zudem verfügte ich über kein Bundestagsmandat. Jetzt ist die Situation anders: Ich bin Spitzenkandidat der CSU. Welche Position ich in Zukunft wahrnehmen werde, darüber entscheiden die Wählerinnen und Wähler.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur Kanzlerin?

Herrmann Gut und problemfrei. Ich unterstütze sie. Sie ist eine starke Kanzlerin, auch wenn es in der Frage der Zuwanderung und der Flüchtlingspolitik unterschiedliche Meinungen zwischen CDU und CSU gab. Da habe ich mich immer sehr klar geäußert, habe aber nie ein persönliches Wort gegen die Kanzlerin gerichtet.

Erwarten Sie, dass der Flüchtlingszustrom nach Deutschland noch einmal zunimmt?

Herrmann Das ist nicht völlig ausgeschlossen. Aber ich erwarte das nicht. Doch die Flüchtlingsströme vom afrikanischen Kontinent bleiben für die Europäische Union eine große Herausforderung.

Was muss die EU tun?

Herrmann Wir müssen dringend dafür sorgen, dass sich weniger Flüchtlinge auf den Weg über das Mittelmeer machen. Es kann nicht sein, dass jeder Afrikaner, der mit einem Gummiboot in See sticht, automatisch in der Europäischen Union aufgenommen wird. Wir brauchen noch deutlich mehr Abkommen wie das EU-Türkei-Abkommen mit afrikanischen Ländern, damit Flüchtlinge unmittelbar zurückgebracht werden können. Außerdem müssen wir kriminellen Schleuser-Organisationen das Handwerk legen und mit mehr Entwicklungshilfe dafür sorgen, dass die Menschen in Afrika eine Lebensperspektive bekommen.

Müssen die Kontrollen an deutschen Grenzen auf Dauer bleiben?

Herrmann Die Kontrollen an den deutschen Außengrenzen müssen wir so lange aufrechterhalten, wie die Europäische Union es nicht schafft, die EU-Außengrenzen wirksam zu schützen.

Die Griechen sagen, die Grenzen lassen sich nicht schützen . . .

Herrmann Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber früher hatten wir zumindest in Mitteleuropa unsere Grenzen ja auch im Griff. Wenn es in der EU den echten politischen Willen für einen effektiven Grenzschutz gibt, dann wird das auch gelingen. Das ist die Grundlage des Schengen-Abkommens: Wir verzichten auf Binnengrenzen, dafür werden die EU-Außengrenzen umso besser geschützt. Wenn Griechenland nicht in der Lage ist, seine Außengrenzen zu schützen, dann kann es nicht Teil des Schengen-Raums bleiben.

Bleibt die CSU bei ihrer Obergrenze für Flüchtlinge?

Herrmann Horst Seehofer hat in dieser Frage eine klare Position bezogen, und die steht.

Sie vermeiden das Wort Obergrenze.

Herrmann Es kommt auf das Ergebnis an. Tatsache ist, dass inzwischen niemand mehr für einen unbegrenzten Zugang nach Deutschland eintritt, auch Grüne und Linke nicht. Logisch ist: Wenn ich keinen unbegrenzten Zugang möchte, brauche ich eine Begrenzung. In Berlin sind noch nicht alle bereit, diese Konsequenz zu ziehen.

Sie rücken davon nicht ab?

Herrmann Die Leute wollen eine klare Aussage haben, dass wir die Flüchtlingszahlen dauerhaft begrenzen. Zurzeit sind die Zahlen so, dass wir in diesem Jahr aller Voraussicht nach unter der von Horst Seehofer genannten Grenze von 200.000 bleiben werden. Ich stehe mit meiner Kandidatur dafür, dass sich ein Flüchtlingszustrom wie 2015 nicht wiederholen wird. Und diese Verbindlichkeit wollen wir in einem Koalitionsvertrag verankern. Dabei werde ich mich nicht über 1000 mehr oder weniger streiten.

Was werden die Hauptthemen Ihres Wahlkampfes sein?

Herrmann Mein zentrales Thema ist die Innere Sicherheit. Es ist bei allen Veranstaltungen zu spüren, dass das die Menschen am meisten beschäftigt - vom Wohnungseinbruch bis zum Terrorismus.

Wie lauten Ihre konkreten Botschaften?

Herrmann In allererster Linie müssen wir die Polizei verstärken. Bund und Länder müssen sich darauf verständigen, dass wir in den nächsten vier Jahren mindestens 15.000 zusätzliche Polizisten einstellen. Auch die Videoüberwachung von Kriminalitätsbrennpunkten muss vorangetrieben werden. Ein großes Defizit ist, dass wir die Whatsapp-Kommunikation immer noch nicht kontrollieren können, obwohl wir beispielsweise genau wissen, dass der Täter aus Ansbach bis zum Schluss Anweisungen über diesen Kommunikationsdienst aus dem Nahen Osten erhielt. Seit einem Jahr mahnen wir das bei der SPD an, geschehen ist nichts. Wir wissen, dass die Terroristen Whatsapp nutzen, deshalb müssen wir die gesetzliche Kontrollmöglichkeit nach der Wahl sofort angehen.

Wie steht es um die Modernisierung der Ausländerbehörden?

Herrmann Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten die vollständige Vernetzung bekommen, so dass jede Ausländerbehörde den vollen Zugang zu den Daten auf Bundesebene hat. Der Bund will die Software liefern, die Länder müssen nun die Ämter mit den Geräten ausstatten. Im Moment schiebt da jeder dem anderen die Schuld zu. Es ist höchste Zeit, dass auch jedes Sozialamt die Fingerabdrücke nehmen und überprüfen kann, und zwar nicht nur gegen Sozialbetrug, sondern um illegalen Aufenthalt zu bekämpfen. Bei der Innenministerkonferenz im Juni werden wir klären, wie weit wir gekommen sind. Es darf nicht mehr sein, dass einer mit 15 Identitäten im Bundesgebiet unterwegs sein kann.

NRW bekommt Schwarz-Gelb, ist das ein neues Modell auch für den Bund?

Herrmann Wir führen keinen Koalitionswahlkampf. Es liegt auf der Hand, dass mir bei der sozialen Marktwirtschaft und der inneren Sicherheit eine Koalition mit der FDP sympathischer ist als eine mit den Grünen. Die Begeisterung zur Fortsetzung der großen Koalition hält sich allseits in Grenzen.

Gregor Mayntz und Eva Quadbeck führten das Gespräch.

(may-, qua)
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