Düsseldorf Wer wird Präsident, wenn Gauck verzichtet?

Düsseldorf · Tritt der Präsident noch einmal an? Als Konkurrenten werden Steinmeier, Schäuble, Schulz, von der Leyen, Bouffier und selbst Merkel genannt.

Alle Bundespräsidenten von Deutschland seit 1949 im Überblick
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Die Bundespräsidenten im Überblick

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Foto: dpa/Wolfgang Kumm

In zwei Jahren wird die Bundesversammlung gemäß ihrem einzigen verfassungsrechtlichen Daseinszweck entweder den jetzigen Bundespräsidenten Joachim Gauck für weitere fünf Jahre wählen; oder die Versammlung wählt mit der Mehrheit ihrer Mitglieder ein neues Staatsoberhaupt. Es ist so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche, dass, je näher der Waltermin März 2017 rückt, wieder die Appelle ertönen, der Bundespräsident solle doch besser direkt vom Volk und dann für eine einzige, siebenjährige Amtszeit gewählt werden. Aber auch das ist gewiss: Daraus wird nichts. Wie seit 1949, als sich CDU/CSU und FDP aus Machtkalkül auf Theodor Heuss verständigten, wird jedes Mal in gehörigem Abstand vor einer Präsidentenwahl parteimachtpolitisch ausgelotet, abgewogen, gekungelt und geschachert. Es ist eigentlich erstaunlich, dass trotz dieses Basar-Verhaltens das Amt des Bundespräsidenten dennoch nach den Worten des früheren Bundesverfassungsrichters Dieter Grimm eine einzige Ressource besitzt: Ansehen. Waren die ausgeguckten Kandidaten erst einmal aufs Pferd bugsiert, ritten sie mehr oder minder gekonnt los. Einen Katastrophen-Ritt legte keiner hin.

Da die Wiederwahl Gaucks oder die Neuwahl eines Nachfolgers beziehungsweise einer Nachfolgerin nur ein halbes Jahr vor der nächsten, politisch ungleich wichtigeren Bundestagswahl stattfindet, gelten zwei ungeschriebene Lehrsätze noch stärker als sonst: Erstens: Alles hängt in der Politik mit allem zusammen. Zweitens: Jede gute Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität.

Da die jetzt regierenden Machtblöcke der großen Koalition, CDU/CSU und SPD, wieder auseinander streben, auch weil ihr vorübergehendes Miteinander beim Regieren in den Parteibasislagern als widernatürlich wahrgenommen wird, werden die Frontleute - hier Merkel/Seehofer, dort Sigmar Gabriel - bereits Ausschau halten, welcher mögliche Kandidat halbwegs präsidiale Statur besitzt und mit wem sich darüber hinaus ein regierungsbündnispolitisches Signal senden ließe.

So könnte Gabriel Gefallen daran finden, den im Volk angesehen Außenminister Frank-Walter Steinmeier für eine Kandidatur zu gewinnen. Steinmeier, kein politischer Raufbold, verfügt über ein auf Ausgleich bedachtes Naturell. Sein bisheriges Amt könnte dem in der Sozialdemokratie und auch von Gabriel geschätzten Europa-Parlamentspräsidenten Martin Schulz zufallen. Aber auch Schulz selbst wäre denkbar als Mr. Europa im Schloss Bellevue.

Die Unionsparteien könnten mit ihrem Kabinetts-Schwergewicht und -Nestor Wolfgang Schäuble kontern. Schäuble, der im Frühjahr 2017 im 75. Lebensjahr stünde, wurde bei der Präsidentensuche 2004 das Opfer des damaligen christliberalen Traumpaares Angela Merkel/Guido Westerwelle. Es setzte Horst Köhler durch, einen ökonomischen Kopf mit nicht sonderlich belastbarem Nervenkostüm. Ein Jahr, nachdem Köhler als Vorbote der CDU, CSU/FDP-Regierung 2009 wiedergewählt worden war, verließ der Empfindliche als "Kräutchen-rühr-mich-nicht-an" das Amt vor der Zeit. Auch mit Köhlers Nachfolger Christian Wulff hatte Merkel keine Fortüne. Die Geschichte des Scheiterns ist noch frisch.

Neuerdings halten es Kanzlerinnen-Astrologen nicht für ausgeschlossen, dass die politisch mächtigste Frau Europas 2017 selbst Gefallen finden könnte am Oberstübchen der Republik. Der SPD mag der Gedanke behagen, denn so wären sie die aus heutiger Sicht am schwersten zu bekämpfende Gegenspielerin im Herbst 2017 los. Aber, um eine Metapher der CSU-Legende Franz Josef Strauß zu bemühen: Eher ließen sich Schneebälle rösten, als dass sich der Machtmensch Merkel unter die schwarz-rot-goldene-Staats-Samtdecke kuschelte. Womöglich käme Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen doch noch als Kandidatin zum Zuge. Gegen Wulff hieß es für sie 2010: Hinten anstellen, bitte!

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hält es angesichts der nicht eindeutigen Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung für eher wahrscheinlich, dass 2017 ein großkoalitionärer Kandidat Präsident wird, falls nicht Bundespräsident Joachim Gauck nach respektvoll abzuwartender Selbstprüfung entscheidet, noch einmal zu kandidieren. Ein Steinmeier beispielsweise werde nie und nimmer gegen Gauck antreten, meint Lindner. Niemand würde das tun. Gegenteiliges liefe den ungeschrieben Gesetzen der bisherigen Präsidentenwahlen zuwider.

Nur wenn Gauck es bei einer fünfjährigen Amtszeit beließe, kommen Namen wie Steinmeier, Schäuble, Schulz und von der Leyen ins Spiel. Wer noch? Würde die SPD mit Blick auf die Bundestagswahl auf Rot-Rot-Grün setzen, böte sich eine prominente Grüne an, etwa Parlaments-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt? Auch Merkel könnte den Grünen ein Lockangebot unterbreiten. Da fiele einem der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier ein, ein mit allen Wassern gewaschener politischer Profi, der als Konservativer gestartet ist und sich zum Grünen-Versteher und -Regierungspartner in Wiesbaden entwickelt hat.

(RP)
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