Kabinett beschließt Sanierungspaket Jetzt schlägt der Sparhammer zu

Berlin (RPO). Das Bundeskabinett hat das umstrittene Sparpaket beschlossen. Es sieht bis zum Jahr 2014 Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen in Höhe von 82 Milliarden Euro vor. Massive Kritik hatten vor allem die tiefen Einschnitte im Sozialbereich hervorgerufen. Aber auch Flugpassagiere und Eltern müssen mit Belastungen rechnen. Ein Überblick auf das, was nun auf Deutschland zukommt.

Sparpaket: Hier wird der Rotstift angesetzt
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Sparpaket: Hier wird der Rotstift angesetzt

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Foto: AFP

Wie erwartet hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch das so genannte "Haushaltsbegleitgesetz" beschlossen. Hinter dem harmlosen Namen verbirgt sich das größte Sparpaket, das die Republik bisher gesehen hat.

Im Juni hatte die Regierung in einer Klausur über die Eckpunkte entschieden. Nun sind die Einschnitte in den Gesetzgebungsprozess eingeschleust. Nach dem Beschluss des Kabinetts muss nur noch der Bundestag zustimmen. Eine Zustimmung der Länder über den Bundesrat ist nach Ansicht der Regierung nicht erforderlich. Am 13. September wird das Gesetz in den Bundestag eingebracht.

Damit bringt die Ministerriege unter Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel die wesentlichen Teile ihres Zukunftspakets auf den Weg. Bis zum Jahr 2014 soll der Haushalt um gut 80 Milliarden Euro entlastet werden.

Atomindustrie: Ausgeklammert ist allerdings noch die Brennelementesteuer, die die Atomindustrie für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten bezahlen soll. Die Regierung plant, über diese Quelle jährlich 2,3 Milliarden Euro einzunehmen, hat jedoch noch nicht über den endgültigen Beitrag der Atom-Konzerne entschieden. Das soll bis Ende September nachgeholt werden.

Rechnet man den Zehn-Milliarden-Beitrag der Energiekonzerne heraus, bleiben 70 Milliarden Euro. Diese verteilen sich quer durch die Ressorts. Ausgenommen sind lediglich die Bereiche Bildung und Forschung. Direkt oder indirekt trifft der Spar-Hammer voraussichtlich alle in Deutschland lebenden Menschen. Die tiefsten Einschnitte gibt es bei den Sozialausgaben, die den dicksten Posten im Bundeshaushalt ausmachen.

Arbeit und Soziales: 26,6 Milliarden Der Etat von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist der größte im Bundeshaushalt. Die Ausgaben sollen im nächsten Jahr um fast acht Prozent (dann 132 Milliarden Euro) gekürzt werden. Dem Gesetzentwurf zufolge werden langzeitarbeitslose Hartz-IV-Empfänger künftig nicht mehr rentenversichert. Finanzminister Wolfgang Schäuble kalkuliert mit 1,8 Milliarden Euro jährlich. Auch der befristete Zuschlag beim Übergang vom Arbeitslosengeld I in Hartz IV und der Heizkostenzuschuss fallen weg.

Zudem bekommt die Bundesagentur für Arbeit mehr Ermessensspielraum und kann künftig selbst über Sinn und Zweck von Förderprogrammen oder Eingliederungshilfen entscheiden. Das Sparpotenzial im ersten Jahr: 4,3 Milliarden Euro, in der Endstufe ab 2014 rund 10,2 Milliarden Euro pro Jahr.

Wirtschaft: vier Milliarden Auch der Wirtschaft werden Milliardensummen abverlangt. Ausnahmen bei der Ökosteuer, die zu Mitnahmeeffekten geführt haben, sollen reduziert werden. Dies bringt dem Fiskus 2011 gut eine Milliarde Euro pro Jahr ein, in den Folgejahren sollen es 1,5 Milliarden werden. Finanzminister Wolfgang Schäuble rechnet im Bereich der Ökosteuer-Subventionen allerdings noch mit intensiven Diskussionen im Bundestag.

Fliegen wird teurer Für Flüge, die von einem inländischen Airport abgehen, soll schon ab 2011 eine "ökologische Luftverkehrsabgabe" fällig werden. Jährlich soll das eine Milliarde Euro in die Staatskasse lenken. Bislang plant die Regierung mit drei verschiedenen Steuersätzen: 8 Euro für Flüge bis 2500 Kilometer, 25 Euro für Flüge bis zu 6000 Kilometer und 45 Euro für die ganz weiten Strecken.

Elterngeld — 600 Millionen Euro. Gutverdienende Eltern bekommen künftig 65 statt 67 Prozent des Nettoeinkommens vor Geburt ihres Kindes. Der Höchstbetrag von 1800 Euro an staatlich gezahltem Elterngeld bleibt jedoch bestehen. Hartz-IV-Familien sollen gar kein Elterngeld mehr bekommen. Sie erhalten bisher den Mindestsatz von 300 Euro im Monat.

Bundeswehr: vier Milliarden Das Militär muss zudem 2013 und 2014 seinen Etat um vier Milliarden Euro eindampfen. Das soll mit einer grundlegenden Reform der Bundeswehr einhergehen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat unlängst fünf Reform-Modelle vorgestellt. Er selbst will die Truppe um ein Drittel auf 163.500 Soldaten verkleinern und zu einer Freiwilligenarmee umbauen. Eine Entscheidung soll ebenfalls im September fallen.

Verwaltung: Auch in der Bundesverwaltung wird der Rotstift angesetzt: Bis 2014 sollen dauerhaft zwischen 10.000 und 15.000 Stellen abgebaut werden. Außerdem sollen die vom Bund angestellten Beamten 2011 auf die Erhöhung des Weihnachtsgeldes verzichten.

Hintergrund der Sparanstrengungen ist die neue Schuldenbremse im Grundgesetz. Danach muss der Bund sein Defizit spätestens bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) drücken, also unter die Marke von zehn Milliarden Euro.

Scharfe Reaktionen In der Öffentlichkeit und bei der Opposition waren die Sparpläne auf ein scharfes, teils vernichtendes Echo gestoßen. Kern der Vorwürfe: Die Regierung spare einseitig bei den Schwachen und betreibe Klientelpolitik.

Noch am Mittwoch kündigte das Erwerbslosen Forum Deutschland bundesweite Demonstrationen an. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband meldete sich am Mittwoch zu Wort und warnte vor einer Zweiteilung Deutschlands: "Das Sparpaket ist Ausdruck einer beispiellosen Zwei-Klassen-Politik und ein fatales Signal für die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland", kritisiert Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes.

(ddp/RTR/APN)
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