Nach scharfer Kritik an AfD-Vize Boateng kann über Gauland-Zitat "nur lächeln"

Berlin · Eine angebliche Äußerung des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland über den deutschen Nationalspieler Jérôme Boateng sorgt für Empörung. Erst bestritt Gauland das Zitat, nun rudert er zurück.

 Jerome Boateng reagiert gelassen auf die umstrittene Äußerung von Alexander Gauland.

Jerome Boateng reagiert gelassen auf die umstrittene Äußerung von Alexander Gauland.

Foto: dpa, ade evb pil

Boateng selbst reagiert gelassen.

"Kann ich nur drüber lächeln. Ist traurig, dass so etwas heute noch vorkommt", sagte Boateng am Sonntag in der ARD nach dem Länderspiel Deutschland - Slowakei. "Ich glaube, heute waren auch genug positive Antworten im Stadion. Ich habe ein paar Plakate gesehen." Weiter sagte er: "Ich bin froh, Deutscher zu sein, ich bin stolz, sonst wäre ich auch nicht hier in der Mannschaft. Ich glaube, ich bin gut integriert, und mehr muss ich dazu auch nicht sagen", betonte er.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatte Gauland mit den Sätzen zitiert: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." Der Innenverteidiger von Bayern München werde zwar als Spieler der Nationalmannschaft geschätzt; dies bedeute aber nicht, dass er nicht als fremd empfunden werde. Boateng ist in Berlin geboren und aufgewachsen, sein Vater ist Ghanaer, seine Mutter Deutsche.

Parteichefin Frauke Petry bemühte sich um Schadensbegrenzung. Gauland könne sich "nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat", sagte Petry der "Bild"-Zeitung. "Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist."

Gauland selbst erklärte zunächst am Sonntag, er habe Boateng nicht beleidigt. "Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten." Er habe in einem vertraulichen Hintergrundgespräch "die Einstellung mancher Menschen beschrieben, aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind".

Die FAZ stellte den Vorgang anders dar. Die Politikredaktion der FAS am Sonntag hat eine Erklärung veröffentlicht. Darin heißt es, die Äußerung Gaulands sei in einem Gespräch gefallen, das der AfD-Vize mit den Berliner Korrespondenten der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) und der FAS, Eckart Lohse und Markus Wehner, am Mittwoch in Potsdam geführt habe. "Beide Kollegen haben die Passage aufgezeichnet, ihre Aufzeichnungen stimmen überein."

Wie in früheren Gesprächen habe Gauland nicht auf einer Autorisierung von Zitaten bestanden. Er habe nur den Teil des Gesprächs, in dem er sich über AfD-Führungspolitiker äußerte, als Hintergrund eingestuft und gebeten, daraus nicht zu zitieren. Daran habe sich die FAS gehalten, heißt es in der Stellungnahme.

Am Abend ruderte Gauland dann selbst zurück. Boatengs Name könne gefallen sein, sagte er in der ARD-"tagesschau", möglicherweise seitens der Journalisten - "denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus". Er habe deutlich machen wollen, "dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht für ideal halten".

Bundestrainer Joachim Löw verzichtete zunächst darauf, Boateng für das Länderspiel gegen die Slowakei symbolträchtig als Mannschaftskapitän anstelle des angeschlagenen Bastian Schweinsteiger zu berufen - doch auch ohne diese Geste ist die Rückendeckung überwältigend.

DFB-Profi Benedikt Höwedes etwa postete Fotos von sich und Boateng im Internet, dazu schrieb er: "Wenn du für Deutschland Titel gewinnen willst, brauchst du Nachbarn wie ihn." Der Berliner Boateng träumt davon, als "erster farbiger Spieler die Kapitänsbinde für Deutschland zu tragen".

"Jerome ist eigentlich entspannt und fokussiert"

 Alexander Gauland sagt, es könne sein, dass der Name Boateng gefallen sei.

Alexander Gauland sagt, es könne sein, dass der Name Boateng gefallen sei.

Foto: dpa, cdt fdt pil

Die Kapitänsbinde trug beim EM-Testspiel in Augsburg zunächst der tunesisch-stämmige Sami Khedira - die Unterstützung für Boateng war dennoch sichtbar, etwa auf Spruchbändern, die von den Zuschauern aufgehängt wurden: "Jerome, sei unser Nachbar!", stand auf einem zu lesen. Zur zweiten Halbzeit gab Löw Boateng dann die Kapitänsbinde.

"Jerome ist eigentlich entspannt und fokussiert. Es belastet ihn nicht", berichtete Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff in der Halbzeitpause des vorletzten Testspiels vor der EM (10. Juni bis 10. Juli) der ARD: "Aber es ist unschön, weil er in eine Diskussion kommt, in der er nicht rein will. Blöd ist auch, dass seine Familie belastet wird, man fragt nun in der Nachbarschaft rum. Also alles Dinge, die man nicht in seinem Privatleben haben möchte."

"Einfach geschmacklos"

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Reinhard Grindel, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", es sei "einfach geschmacklos", die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft "für politische Parolen zu missbrauchen".

Millionen Menschen liebten die Nationalmannschaft, "weil sie so ist, wie sie ist", sagte Grindel. Boateng sei ein "herausragender Spieler und ein wunderbarer Mensch, der sich übrigens auch gesellschaftlich stark engagiert und für viele Jugendliche ein Vorbild ist". Grindel reagierte auf eine Äußerung Gaulands über Boateng in der "F.A.S.".

Auch der Manager der Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, wandte sich gegen Gaulands Bemerkungen. "Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit solchen Äußerungen konfrontiert werden. Sie bedürfen keiner weiteren Kommentierung, die Personen diskreditieren sich von alleine", sagte Bierhoff dem Blatt. Bundestrainer Joachim Löw hat für den vorläufigen Kader für die Europameisterschaft elf Spieler mit ausländischen Wurzeln nominiert.

Jerome Boateng – Berliner, Abwehrchef, Weltmeister
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Das ist Jerome Boateng

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Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München, trat ebenfalls für Boateng ein. "Diskriminierungen jeder Art haben im Sport und in unserer Gesellschaft nichts verloren und verdienen die Rote Karte. Jérôme Boateng ist ein wunderbarer Mensch und ein vorbildlicher Fußballprofi unseres Vereins. Wir sind stolz, dass er auch für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt!", heißt es in einer Erklärung.

In Magdeburg kritisierte Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht die Debatte um Boateng aufs Schärfste. "Wenn ein Herr Gauland darüber redet, ob ein Boateng ein guter Nachbar ist, dann ist mir wirklich zum Kotzen", sagte Wagenknecht unter lautem Beifall des Bundesparteitages. Sie sei sich sicher, dass die übergroße Mehrheit in Deutschland lieber einen Boateng als Nachbarn haben wolle als einen "Hassprediger wie Björn Höcke", meinte Wagenknecht.

(jco/may/hebu/afp/sid/dpa)
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