UNICEF mit alarmierenden Zahlen Jedes sechste deutsche Kind lebt in Armut

Berlin (RPO). Kinder alleinerziehender Eltern sind in Deutschland laut UNICEF-Bericht überdurchschnittlich häufig von Armut bedroht. Familienministerin von der Leyen setzt sich nun erneut für ein gestaffeltes Kindergeld ein. Im vergangene Woche veröffentlichten nationalen Armutsbericht war die Kinderarmut noch niedriger eingeschätzt worden.

 Von der Leyen und der UNICEF-Vorsitzende Jürgen Heraeus stellen den UNICEF-Bericht vor.

Von der Leyen und der UNICEF-Vorsitzende Jürgen Heraeus stellen den UNICEF-Bericht vor.

Foto: AP, AP

Kinder Alleinerziehender sind weit überdurchschnittlich von Armut bedroht. Bis zu 40 Prozent Ein-Eltern-Familien leben laut dem am Montag vorgestellten UNICEF-Bericht in relativer Armut. Die Opposition nannte die Ergebnisse beschämend. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) setzte sich erneut für ein gestaffeltes Kindergeld ein, um das Armutsrisiko Kinderreichtum auszuschalten.

In dem Bericht des Kinderhilfwerks zur "Lage der Kinder in Deutschland" heißt es, trotz erheblicher Geldaufwendung erreiche Deutschland bei der Absicherung der Kinder nur Mittelmaß. Die Experten kommen zu dem Ergebnis, dass mehr als jedes sechste deutsche Kind in Armut lebt. Gleiches gelte für 30 Prozent der Migrantenkinder sowie fast zwei Drittel der Kinder von Hartz-IV-Empfängern.

"Das dritte Kind vergessen"

Bei Alleinerziehenden mit einem Kind sind den Angaben zufolge 38,2 Prozent mit Armutsrisiko konfrontiert, bei zwei Kindern steige die Quote auf 41,3 Prozent. Zum Vergleich: Im Paarhaushalt mit einem Kind liegt die Quote für das Armutsrisiko nur bei 12,1 und bei zwei Kindern bei 9,5 Prozent. Bei drei Kindern steige das Risiko aber wieder auf 14,1 Prozent an.

Ministerin von der Leyen kündigte an, dass nach Vorliegen des Existenzminimumberichts im Herbst neue Kindergeldentscheidungen anstünden: "Tatsache ist, dass das Kindergeld für das erste und zweite Kind seit 2001 nicht erhöht worden ist. Aber für das dritte Kind ist es seit 1995 nicht mehr erhöht worden. Man hat völlig das dritte Kind in diesem Land vergessen und damit auch die folgenden Kinder."

"Nicht Kinder machen arm"

Dadurch präge sich ein Bild, dass Kinderreichtum Hand in Hand gehe mit Abrutschen in finanziell prekäre Situationen. "Dies ist grundsätzlich falsch. Nicht Kinder machen arm, sondern Kinder leben in Armut, wenn die Eltern keine Arbeit haben und wenn die gezielten finanziellen Hilfen des Staates nicht wirkungsvoll genug sind."

UNICEF stellte in seinem Bericht auch fest, dass chronische Krankheiten, Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten insbesondere bei benachteiligten Kindern stark zugenommen hätten. Die Kluft zwischen den Kindern, die gesund, abgesichert und gefördert aufwachsen und solchen, deren Alltag durch Hoffnungslosigkeit, Mangel und Ausgrenzung geprägt ist, reiße immer weiter auf und habe weitreichende Folgen für ihre ganzes Leben.

Kindergeld leistet nach Expertenaussagen den größten Beitrag zur Armutsbekämpfung: Gäbe es kein Kindergeld, würden demnach zusätzlich etwa 1,7 Millionen Kinder unter die Armutsgrenze rutschen.

Eine deutliche Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder forderte der Präsident des Sozialverbands VdK Deutschland, Walter Hirrlinger, angesichts des aktuellen Berichts. "Der Regelsatz muss um mindestens 20 Prozent, also von 208 auf 250 Euro steigen, damit betroffene Kinder nicht Gefahr laufen, dauerhaft ausgegrenzt zu werden."

Sechs oder acht Prozent

Im nationalen Armutsbericht, dessen Entwurf Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) vor einer Woche vorgestellt hatte, war die Kinderarmut niedriger eingeschätzt worden: Danach ist nur etwa jedes achte Kind in Deutschland von Armut bedroht, während es in dem von der Familienministerin vorgestellten UNICEF-Bericht jedes sechste ist. Von der Leyen sagte, die zu Grunde liegenden Daten seien unterschiedlich gewesen, in der Sache gebe es aber keinen Widerspruch.

(ap)
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