Neue Hartz-Debatte Jeder Zehnte lebt vom Staat

Düsseldorf (RP). Der Sozialstaat in Daten: Fast 80 Milliarden Euro fließen aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss in die Rentenkassen; für die Existenzsicherung gehen weitere 45 Milliarden Euro an mehr als acht Millionen Bedürftige in Deutschland.

Berlin. Sozialstaat Deutschland. Er wächst von Jahr zu Jahr, wie die jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes und auch der übernächste Woche zur Beratung anstehende Bundeshaushalt für 2009 ausweisen. Um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, erhielten nach Angaben der Statistiker im jetzt ausgewerteten Jahr 2006 rund 8,3 Millionen Menschen Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme. Damit stützten sich mehr als zehn Prozent aller Einwohner auf existenzsichernde Hilfen des Staates. Die machten zusammen 45,6 Milliarden Euro aus.

Aber selbst diese Summe macht noch nicht den größten Anteil an Sozialleistungen aus. Die Rentenkassen kommen immer weniger mit den Beiträgen aus. Jahr für Jahr schießt der Staat mehr zu. Im Jahr 2009 werden es 79,1 Milliarden Euro sei — 27,4 Prozent des Haushaltes. Vor 25 Jahren waren es noch knapp 16,8 Milliarden Euro und 13 Prozent des Haushaltes. Binnen einer Generation haben sich die Zuschüsse also verfünffacht.

Auch die Krankenkassen bekommen wachsende Finanzspritzen aus dem Bundesetat. Vier Milliarden Euro werden es im nächsten Jahr sein. Dieser Betrag wird absehbar bis zum Jahr 2016 auf jährlich 14 Milliarden Euro anwachsen. Für das Arbeitslosengeld II plant der Finanzminister 20 Milliarden ein — das sind 880 Millionen Euro weniger als im laufenden Jahr. Er rechnet mit positiven Effekten vom Arbeitsmarkt. Für Eingliederungshilfen und Verwaltung sind zehn Milliarden vorgesehen. An den Unterkunftskosten beteiligt sich der Bund mit 3,2 Milliarden.

Für die Familienförderung steigert er die Ausgaben auf 6,15 Milliarden Euro. Die beiden Skizzen passen insofern nicht ganz zusammen, als die Leistungen des Bundes für das Jahr 2009 ganz aktuell sind, die Angaben für die realisierte Nachfrage in der Bevölkerung aber die Lage von vor zwei Jahren widerspiegeln. Dazwischen liegt ein starkes Abschmelzen der Arbeitslosigkeit. Orientierungsgrößen können sie dennoch vermitteln.

5,3 Millionen Menschen haben nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes Ende 2006 Arbeitslosengeld-II ("Hartz-IV") bezogen. Also alle diejenigen, die zwar arbeitsfähig, aber arbeitslos waren. 1,9 Millionen nicht Arbeitsfähige erhielten Sozialhilfe, weitere 81 000 Menschen bekamen Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und an knapp 682 000 Menschen flossen Mittel zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Gelder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gingen an 193 000 Empfänger, und weitere knapp 60 000 Menschen wurden nach der Kriegsopferfürsorge mit dem Nötigsten zum Leben ausgestattet.

All das summierte sich auf 45,6 Milliarden Euro oder durchschnittlich 464,93 Euro je Monat und Betroffenem, wobei dieser Durchschnitt nichts über den tatsächlichen Umfang im Einzelnen aussagt. Und auch nichts über die Sozialstruktur in den einzelnen Regionen. In Bayern etwa bekamen 5,3 Prozent der Bevölkerung Mindestsicherungsleistungen, in Berlin 20,1 Prozent. Unterdurchschnittlich waren außer Bayern noch Baden-Württemberg (5,7), Rheinland-Pfalz (7,5), Hessen (9,0) und das Saarland (9,7), überdurchschnittlich noch Mecklenburg-Vorpommern (17,7), Bremen (17,5), Sachsen-Anhalt (16,6), Brandenburg (14,5), Sachsen (14,1), Hamburg (13,9), Thüringen (12,7), NRW (10,8), Schleswig-Holstein (10,4) und Niedersachsen (10,3).

Weitere Sozialleistungen: 818 000 Bafög-Empfänger bekamen 2,3 Milliarden Euro, 691 000 Haushalte erhielten zusammen 1,16 Milliarden Euro Wohngeld, "Hilfe in besonderen Lebenslagen" summierte sich für 1,1 Millionen Menschen auf weitere 16,26 Milliarden, und zusammen 138,6 Millionen Euro flossen als Kinderzuschlag an 92 000 Familien.

(RPMANTEL)
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