Berechnungen der Polizei-Gewerkschaft Erst in acht Jahren mehr Polizisten auf den Straßen

Berlin · Der oft versprochene Ausbau der Polizeipräsenz bleibt vorerst Illusion. Erst einmal haben die Länder damit zu tun, Lücken zu stopfen: Bis 2024 gehen 55.000 Beamte in Pension.

 Viele Aufgaben haben die Polizisten. Hier überwachen Beamte aus NRW die Einheitsfeier am Mittwoch in Kiel.

Viele Aufgaben haben die Polizisten. Hier überwachen Beamte aus NRW die Einheitsfeier am Mittwoch in Kiel.

Foto: dpa/Frank Molter

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat auf der Grundlage neuer Personalberechnungen vor der Erwartung gewarnt, die versprochenen Neueinstellungen könnten auf absehbare Zeit zu einer besseren Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit führen. „Mehr Sicherheit, sprich mehr Polizistinnen und Polizisten, wird es erstmal nicht auf den Straßen, Plätzen und Bahnhöfen geben“, sagte GdP-Chef Oliver Malchow unserer Redaktion. Zwar sei 2018 nach langen Jahren des Personalabbaus endlich eine Kehrtwende eingeleitet worden. „Wirklich mehr Polizisten im Einsatz werden wir jedoch erst frühestens in acht Jahren haben“, sagte Malchow voraus.

Die Gründe für diese starke zeitliche Verzögerung bestünden sowohl in der vierjährigen Ausbildungszeit für jeden Polizisten als auch in den sehr hohen Pensionierungszahlen in naher Zukunft. „Wir haben einen riesigen Ersatzbedarf“, erläuterte Malchow. Von den 260.000 Vollzugsbeamten in Bund und Ländern gingen allein bis zum Jahr 2020 rund 40.000 in Pension. Diese Lücke werde nur knapp ausgefüllt. Die weiteren Berechnungen der GdP gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2024 bundesweit rund 55.000 Polizistinnen und Polizisten aus dem Dienst ausscheiden - also jeder fünfte Polizeibeamte. „Die Tischdecke, an der alle zerren, ist eindeutig zu kurz“, so Malchow zu den Folgen.

Die größten „Ruhestandsabgänge“ sind nach der Erhebungen der GdP bis 2024 in Baden-Württemberg (rund 7500), NRW (über 7000) und Berlin (etwa 5800) zu erwarten. Aber selbst in Rheinland-Pfalz müssen 2600 Beamte ersetzt werden. Um das erklärte Ziel der Politik zu erreichen, die Zahl der Polizisten effektiv zu erhöhen, reichten kurzfristige Planungen nicht aus.

„Spätestens seit den Ereignissen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015 fühlen sich offenbar immer mehr Menschen verunsichert“, hält Malchow fest. Auch der problematische Anstieg bei der Zahl Kleiner Waffenscheine zeuge davon und belege die Notwendigkeit, vielen Bürgern ein Sicherheitsgefühl zurückzugeben. Ein erster wichtiger Schritt bestehe aus mehr Polizeipräsenz auf der Straße. Das aber gehe nicht über Nacht. „Wer das verspricht, gaukelt der Bevölkerung etwas vor“, warnt Malchow.

Die GdP fordert, schnell weitere Ausbildungskapazitäten zu schaffen, um zugleich auch die Qualitätsstandards hoch halten zu können. Derzeit rechne die Polizei mit neun Bewerbern auf eine Stelle, um die richtige Auswahl treffen zu können. „An den strengen Einstellungskriterien sollten wir festhalten“, unterstreicht der Gewerkschaftschef. Die Anforderungen an die Polizei würden schließlich immer höher. Neue Aufgaben wie die verstärkte Terrorbekämpfung müssten aus dem Bestand heraus gestemmt werden. Das bedeute, dass an anderer Stelle weniger Ressourcen eingesetzt werden könnten.

FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle verlangt „Taten statt Überbietungswettbewerbe“ zwischen den Innenminister von Bund und Ländern bei der Ankündigung von Stellenzuwächsen. Es sei daher richtig, die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. „Ohne eine Steigerung der Attraktivität der Arbeit im Öffentlichen Dienst wird es aber nicht gehen“, fügt Kuhle hinzu. So brauche es für dringend gesuchte IT-Fachkräfte eine eigene Laufbahn. Außerdem sollten Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten stärker gefördert werden.

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