Jamaika-Sondierungsgespräche Parteien bei Schwarzer Null einig - FDP beim Soli kompromissbereit

Berlin · Mit ersten zurückhaltenden Kompromissangeboten sind Union, FDP und Grüne in die Sondierungen über die Sachthemen Finanzen, Steuern und Haushalt gestartet.

 Angela Merkel spricht in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin zu Beginn der Sondierungsverhandlungen zwischen CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner.

Angela Merkel spricht in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin zu Beginn der Sondierungsverhandlungen zwischen CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner.

Foto: dpa, nie sab

Von allen vier Parteien gab es vor Beginn der Gespräche für ein Jamaika-Bündnis am Dienstagabend in Berlin ein Bekenntnis zur "schwarzen Null" - es sollen also keine neuen Schulden aufgenommen werden. Allerdings wurden zu hohe Erwartungen an die Gespräche in kleiner Runde gedämpft. Nach Steuern und Haushalt stand am späteren Abend noch das Thema Europa auf der Tagesordnung.

Die FDP besteht zwar weiter auf der Abschaffung des Solidaritätszuschlages, was die Bürger um insgesamt 20 Milliarden Euro entlasten würde. Allerdings sei man offen, dies in Stufen vorzunehmen und bei Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen anzufangen, sagte Generalsekretärin Nicola Beer der "Passauer Neuen Presse".

FDP-Vize Wolfgang Kubicki dringt auf Entlastungen für die Mitte der Gesellschaft. Und ein erster Punkt hierfür sei der Solidaritätszuschlag, "weil wir den abschaffen können, ohne dass wir die Bundesländer brauchen", argumentierte Kubicki. Angesichts hoher Steuereinnahmen müssten Krankenschwestern oder Ingenieure "Geld zurück" bekommen von dem, was erwirtschaftet wurde.

Die "Süddeutsche Zeitung" will aus Verhandlungskreisen erfahren haben, dass die FDP mit der Bereitschaft in die Gespräche gegangen sei, den Soli nur für untere und mittlere Einkommen abzuschaffen. Zahler des Spitzensteuersatzes sollten ihn weiterzahlen. Die Partei rücke damit von ihrer Forderung ab, den Soli-Zuschlag 2019 komplett abzuschaffen, schreibt die Zeitung. Die Union hatte sich für eine schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages ausgesprochen.

Kubicki sagte dazu, der Soli falle in dieser Legislaturperiode definitiv weg oder es gebe keine Koalition. Er warnte die Grünen, die Schwarze Null im Haushalt infrage zu stellen. Die Parteispitze hatte sich dazu bekannt. Allerdings sagte Jürgen Trittin, der für die Grünen das Thema Finanzen koordiniert, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Niemandem nützt eine Schwarze Null bei nicht mehr bezahlbarem Wohnraum oder bei Missständen im Pflegebereich."

Grüne wollen Investitionen in Infrastruktur

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte Investitionen in die Infrastruktur sowie gezielte Entlastungen. Das Thema Finanzplanung sei ein "ganz zentrales", sagte er in Berlin. Die konjunkturelle Ausgangslage sei gut, aber Überschüsse dürften nicht "im Unverstand ausgebeben" werden. Stattdessen solle der Bund gezielt in Schienen und Straßen, Schulen und schnelles Internet in ländlichen Räumen investieren. Auch die Grünen sprächen sich für Entlastungen der Bürger aus, betonte Özdemir - aber für diejenigen, bei denen der Bedarf am größten sei.

Die Industrie gab den vier Parteien die Forderung mit auf den Weg, Investitionen absoluten Vorrang zu geben. "Es muss der künftigen Bundesregierung darum gehen, Wachstum und Innovation zu befördern, anstatt sich wie bisher auf die Vermeidung von Steuerschlupflöchern und sozialpolitische Umverteilung zu konzentrieren", sagte der Präsident des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf.

Die solide Haushaltslage bietet den Parteien einer möglichen Jamaika-Koalition durchaus Spielraum. Unionsexperten gehen von etwa 30 Milliarden Euro für vier Jahre aus. Die bisherigen Wünsche der Parteien sind aber in der Summe sehr viel teurer.

Ganz grundsätzlich müssen sich die möglichen Koalitionäre einigen, wie viel Geld investiert werden soll, und um wie viel Bürger und Unternehmen bei Steuern und Abgaben entlastet werden sollen. Welche Partei das Finanzministerium übernimmt, ist dagegen offiziell kein Thema. Hierzu hatte aber FDP-Chef Christian Lindner gesagt, egal ob Grünen-, CSU- oder FDP-Finanzminister, alles wäre besser, als das Ministerium wieder der CDU zu geben.

Die Linke kritisierte, dass dem Vermeiden neuer Schulden die höchste Priorität eingeräumt werden solle. "Wem die Schuldenbremse und die steuerliche Entlastung der Reichen wichtiger sind als der Kampf gegen Kinderarmut, der versündigt sich an unserer Zukunft", sagte Parteichefin Katja Kipping der dpa.

Im Bundestag hatten die Fraktionen von Union, FDP und Grünen am Dienstag schon einmal die schwarz-gelb-grüne Zusammenarbeit geprobt:
Sie wählten den bisherigen CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten und blockierten gemeinsam einen SPD-Vorstoß, bereits in der ersten Sitzung des neuen Parlaments die Regeln für die Regierungsbefragung zu verschärfen.

(felt)
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