Jahreswirtschaftsbericht Robert Habeck und der Vorwurf der Schönfärberei
Berlin · Der Jahreswirtschaftsbericht trägt in diesem Jahr den Titel „Wohlstand erneuern“. Für den Wirtschaftsminister wäre die dazu gehörige Bundestagsdebatte eine gute Gelegenheit gewesen, mit seinen Zukunftsplänen zu überzeugen. Doch andere Redner haben Robert Habeck an diesem Donnerstag einen Spiegel vorgehalten.
Robert Habeck steht gerade nicht im Rampenlicht – nicht mehr. Die Scheinwerfer sind in diesen Tagen und Wochen auf den Kanzler gerichtet. Die späte, aber mit den westlichen Partnern nun klar abgestimmte Kampfpanzer-Entscheidung von Olaf Scholz (SPD) hat alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Regierungserklärung des Bundeswirtschaftsministers an diesem Donnerstagmorgen über den diesjährigen Jahreswirtschaftsbericht interessiert nach dem Panzer-Wumms vom Vortag weitaus weniger. Dabei geht es hier im Bundestag um die wirtschaftliche Zukunft des Landes, die Sicherung des Wohlstands, den Weg zur Klimaneutralität.
Deutschland habe die schwierige Situation nach dem „Epochenbruch der Zeit“, den der russische Angriff auf die Ukraine markierte, besser bewältigt als befürchtet, beginnt Robert Habeck (Grüne) seine Rede. Eine tiefe Krise sei vermieden worden, die befürchtete Rezession in diesem Winter bleibe aus. Das sei eine „große Gemeinschaftsleistung“, so der Vizekanzler. Die Politik habe schnell gehandelt, Verwaltung, Wirtschaft und Bürger hätten sich enorm gut angepasst an die neue Lage. „Deutschland hat gezeigt, was es kann, wenn es will“, sagt Habeck.
Die Inflation werde mit sechs Prozent in diesem Jahr aber hoch bleiben. „Das ist eine Aufgabe“, räumt der Minister ein. Hinzu kämen eine Fülle „struktureller Aufgaben“ für die Bundesregierung. Der Grüne nennt die Bewältigung des Fachkräftemangels, die Sicherung der Energieversorgung, den klimagerechten Umbau der Wirtschaft. Habeck kündigt neue „Instrumente“ an, um Investitionen aus dem „größeren Mittelstand“ zu stützen, auch bei der industriepolitischen Reaktion Europas auf das große US-Subventionspaket IRA bleibt er vage. Habeck hat für den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien noch zwei „Solarpakete“ und ein „Windpaket“ im Gepäck – all das wolle er bald anpacken. Das war´s.
Der Applaus der Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP ist ihm zwar sicher, aber seine Rede hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Nach seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr war Habeck der Star der Regierung. Der Grüne stahl Olaf Scholz die Show, weil er den Menschen viel besser erklären konnte, was die selbst ernannte Fortschrittskoalition tun will, um das Land voranzubringen. Dann kam der Ukraine-Krieg und Habeck hatte alle Hände voll zu tun, Deutschlands Energieversorgung zu sichern. Er hat seine ökologischen Ambitionen hintenan stellen müssen, sofern sie nichts mit der Energiesicherung zu tun hatten. Zwischen Sommer und Herbst hielt er wie andere in der Regierung auch zu lange an der umstrittenen Gasumlage bei Verbrauchern fest. Die Union konnte sich so auf Habeck und seine „Chaos-Umlage“ einschießen – sein Stern begann zu sinken, in den Rankings der beliebtesten Politiker ging ihm der erste Platz verloren.
Im Bundestag zeichnen die Redner nach Habeck an diesem Donnerstag ein anderes, viel dunkleres Bild von der Wirtschaft. „Das war schöne Lyrik, aber auch viel Schönfärberei“, stellt Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali fest. Vielen Unternehmen drohe derzeit das Aus, Menschen etwa beim US-Autobauer Ford in Köln fürchteten um ihre Jobs. Mancher habe wegen der hohen Inflation ein ganzes Monatsgehalt Kaufkraft eingebüßt, viele Menschen könnten sich die Inflation schlicht nicht mehr leisten.
Jens Spahn von der CDU prophezeit dem Land „eine lang anhaltende Phase von Niedrigwachstum“. Deutschland falle im Ranking der besten Wirtschaftsstandorte immer weiter zurück. „Wir haben ein Problem mit der Produktivität“, sagt Spahn, die Bundesregierung müsse sich zu einer „Wachstumsstrategie“ bekennen. Als dann auch noch Habecks Koalitionspartner, der FDP-Wirtschaftsexperte Reinhard Houben, eindringlich vor der Abwanderung großer Firmen warnt und ein „Belastungsmoratorium“ für die Wirtschaft fordert, wird deutlich, dass Habecks Zukunftsplan womöglich einige Lücken aufweist – und es Zeit für ihn wäre, das eigene Vorgehen wieder besser zu erklären.