Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung Der Aufschwung wird wieder mal verschoben

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verbreitet trotz des anhaltenden Corona-Lockdowns Zuversicht: 2021 werde weiterhin ein Jahr des Aufschwungs. Doch bei vielen Unternehmern und Verbrauchern schwindet allmählich der Mut.

 Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der Bundeswirtschaftsminister ist an diesem Mittwoch erkennbar darum bemüht, für gute Stimmung zu sorgen. Lächelnd präsentiert Peter Altmaier (CDU) den diesjährigen Jahreswirtschaftsbericht mit dem anspruchsvollen Titel „Corona-Krise überwinden, wirtschaftliche Erholung unterstützen, Strukturen stärken“. Altmaier musste in dem Bericht die Konjunkturprognose der Regierung für das laufende Jahr auf ein Plus von nur noch drei Prozent stutzen. Aber das soll ihn jetz nicht daran hindern, optimistisch zu bleiben. Er wisse ja nicht, wer den nächsten Jahreswirtschaftsbericht nach der Bundestagswahl vorlegen werde, scherzt Altmaier. „Aber ich bin überzeugt, dass wir eine Chance haben, dass wir dann auf ein Jahr des Aufschwungs zurückblicken können.“ Die Konjunktur werde wegen des verlängerten Lockdowns nur etwas später anziehen als bisher erwartet, wohl im zweiten Jahresquartal.

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2021 ein Jahr des Aufschwungs – danach sieht es zum Jahresauftakt überhaupt noch nicht aus. Die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern droht im Gegenteil gerade abzukippen in eine kollektive Resignation. Auch Altmaier trägt daran eine Mitverantwortung, denn die im Herbst von ihm und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigte „Bazooka“, die kräftige Finanzspritze des Staates zur Unterstützung der Wirtschaft, ist bei vielen Unternehmen immer noch nicht angekommen. Immerhin ist nun etwas in Gang gekommen. 80 Milliarden Euro seien seit Beginn der Krise bereits ausgezahlt, berichtet der Minister.

 Altmaier musste nun schon zum zweiten Mal eine zu optimistische Konjunkturprognose für 2021 korrigieren. Im Frühjahr 2020 sagte er ein Plus von 5,2 Prozent voraus, im Oktober wurden daraus 4,4 Prozent – und aktuell sind es eben nurmehr drei. Eine dritte Revision ist nicht unwahrscheinlich. Denn Altmaier hat seiner Prognose die optimistische Annahme zugrunde gelegt, der Lockdown würde lediglich „bis in den Februar hinein“ andauern. Da aber die Infektionszahlen nicht schnell genug sinken und die Durchimpfung wegen des vermasselten Impfstarts  zu langsam vorangeht, zeichnet sich eine abermalige Lockdown-Verlängerung über den 14. Februar hinaus mindestens für Teile der betroffenen Branchen bereits ab.

Die Psychologie ist die halbe Miete der Wirtschaftsentwicklung, lautet eine bekannte Weisheit – und die Regierung muss tatsächlich aufpassen, dass sich die Stimmung bei Investoren und Verbrauchern jetzt nicht noch weiter verdüstert. Das Konsumklima-Barometer der Gesellschaft für Konsumforschung ist im Januar geradezu abgestürzt, wie am Mittwoch bekannt wurde. Die Devise der Verbraucher, sagt GfK-Forscher Rolf Bürkl, laute jetzt: Lieber das Geld zusammenhalten als es noch ausgeben. Vier von fünf Bürgern empfänden die Corona-Krise derzeit als große oder sehr große Bedrohung, so viele wie im Fürhjahr 2020, als die Krise ausbrach. Mehr Menschen hätten wieder Angst um ihre Arbeitsplätze.

An der nachlassenden Kauflaune hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar nach einem halben Jahr Reduzierung sicher ihren Anteil. Doch auch die jüngste Lockdown-Verlängerung, der schleppende Impffortschritt und die Gefahr der Virus-Mutationen dämpft die Stimmung der Verbraucher. Auf die kommt es aber an, wenn die Wirtschaft durchstarten soll, sobald der Lockdown aufgehoben wird. Alle Konjunkturexperten setzen darauf, dass die Konsumenten die angestauten Anschaffungspläne nach dem Lockdown-Ende in die Tat umsetzen.

Anders als beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 ließ die Regierung die gewerbliche Wirtschaft, vor allem die Industrie, im zweiten Lockdown seit November weiter laufen. Das führt zu einer gespaltenen Konjunktur: Während es der Industrie noch einigermaßen gut geht, darbt der Dienstleistungssektor. Die negativen Effekte des Lockdowns sind so weniger groß, doch sollte sich die Regierung damit auch nicht allzu sehr selbst beruhigen: Am Servicessektor hängen viel mehr Arbeitsplätze als an der Industrie, sein Anteil an der Wertschöpfung ist seit Langem größer als der der Industrie und nach einer Pleitewelle könnten viele der für die Konjunkturerholung bedeutsamen Dienstleister nicht mehr da sein.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt für das erste Quartal eine beunruhigende, massive Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um drei Prozent gegenüber dem Vorquartal voraus – es ist damit pessimistischer als Altmaier. Der Wirtschaft stehe „ein langer, steiniger Weg“ aus der Krise bevor, sagt DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. Viele Unternehmen hätten deutlich an Substanz verloren, weil sie ihre Reserven aufbrauchen mussten. Sie würden deshalb weniger Kapazitäten haben zu investieren.

 Doch Altmaier setzt in seiner Prognose auf genau das, den Zuwachs   der Unternehmensinvestitionen um fast vier Prozent im laufenden Jahr. Das ist ein Hoffnungswert angesichts des Substanzverlusts vieler Unternehmen. Auch die Exporte würden 2021 kräftig um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr anziehen, so Altmaier. Wegen des deutlich gestiegenen Euro-Kurses könnte auch das zu optimistisch sein.

Gleichwohl wähnt sich der Minister mit seiner Drei-Prozent-Vorhersage auf „sicherem Grund“, wie er am Mittwoch sagt. Das Jahr könne sogar noch ein bisschen besser werden. Denn auf der Haben-Seite kann er auf einen wichtigen Zusammenhang verweisen: Im Unterschied zur Finanzkrise 2009 hat die Corona-Krise keine systemimmanenten Ursachen. Der Virus-Schock kam von außen, ähnlich wie die Ölpreisschocks in den 70-er und 80-er Jahren. „Die Finanzkrise hat den gesamten Finanzsektor erschüttert. Um das zu bewältigen, brauchten wir zehn Jahre. Um die Corona-Krise zu überwinden, werden wir dagegen nur zwei, drei Jahre benötigen“, sagt auch Andreas Scheuerle, Experte bei der Dekabank. „Wenn der Virus im Griff ist, verschwindet auch diese Krise wieder.“

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