Finanzminister in Washington Für Lindner hat das IWF-Treffen auch therapeutische Wirkung

Washington · Finanzminister Christian Lindner fühlt sich in seinem harten Haushaltskurs bestärkt durch den Internationalen Währungsfonds, der die Länder weltweit auffordert, ihre Staatshaushalte in Ordnung zu bringen. Eine Finanzkrise 2.0 sehen Lindner und Bundesbankpräsident Joachim Nagel nicht kommen. Erste Fortschritte gibt es bei der Entschuldung der ärmsten Länder.

 Bundesfinanzminister Christian Lindner (Archivbild).

Bundesfinanzminister Christian Lindner (Archivbild).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Für Christian Lindner hat diese Reise nach Washington zum Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht nur einen hohen politischen Wert, sondern auch einen psychologischen. „Finanzminister teilen oft dasselbe Schicksal: Sie sind in der Regel die einsamsten Kabinettsmitglieder. Wenn sie wie hier zusammenkommen, hat das teilweise einen therapeutischen Charakter“, sagt der Bundesfinanzminister bei der IWF-Tagung der Finanzminister und Notenbankchefs aus über 100 Nationen in der US-Hauptstadt. Lindner will damit sagen, dass auch andere Finanzminister wie er sparen müssten und deshalb zuhause nicht besonders viele Freunde hätten. Eine Amtskollegin, erzählt er, habe sogar gescherzt, sie könne abends nicht mehr allein auf die Straße gehen, weil sie dort Kabinettsmitglieder überfallen könnten.

Auch Lindner stehen zuhause harte Haushaltswochen bevor: Er will 2024 die Schuldenbremse unbedingt wieder einhalten, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Koalitionspartner müssen akzeptieren, dass nicht mehr ausgegeben werden kann, sondern weniger. Gemeinsam muss man ein Haushaltsloch von 14 bis 18 Milliarden Euro stopfen durch Kürzungen bestehender Leistungen. Lindner fühlt sich mit dieser harten Linie bestätigt durch den IWF, denn die Finanzorganisation hat Länder, die wie Deutschland dazu in der Lage sind, aufgefordert, angesichts der hohen Inflation zu soliden Finanzen zurückzukehren und die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen.

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Foto: AP/Markus Schreiber

Für Deutschland hat der Fonds eine für die Bundesregierung überraschend schlechte Konjunkturprognose von minus 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr prognostiziert. Lindner nimmt das als zusätzliches Argument mit nach Berlin. Er habe die IWF-Prognose „als sehr vorsichtig eingeordnet, sie aber zugleich begrüßt. Das klingt paradox, aber so können wir umso deutlicher werben für ein Wachstumspaket“, sagt der FDP-Chef. Und trotz der noch angespannten Lage der Weltwirtschaft — auch in Deutschland — sei die Stimmung „hier in Washington verhalten optimistisch“, sagt Lindner.

Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel glaubt nicht wie der IWF, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr noch in die Rezession rutscht. Vom zweiten Jahresviertel an bessere sich die Lage, im nächsten Jahr sei wieder leichtes Wachstum zu erwarten, sagt Nagel, der neben Lindner Platz genommen hat. Allerdings „können wir beim Thema Inflation nicht zufrieden sein“. Die Teuerung werde Ende des Jahres in Deutschland immer noch bei sechs Prozent liegen. „Das heißt, aus geldpolitischer Sicht ist hier noch eine Wegstrecke zu gehen.“ Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse „weiter entschlossen handeln“. Nagel will sich jedoch nicht festlegen, ob auf der nächsten Sitzung des EZB-Rats im Mai eine weitere Zinserhöhung ansteht.

Immerhin gibt Nagel Entwarnung für die Lage an den Finanzmärkten nach den jüngsten Beinahe-Pleiten der Silicon Valley Bank in den USA und der Credit Suisse in der Schweiz. „Es handelt sich nicht um eine tiefgreifende Finanzkrise, sondern um Einzelereignisse“, sagt der Bundesbankpräsident. Die europäischen Banken seien stabil, hätten mehr Eigenkapital hinterlegt als in der Finanzkrise 2008. „Es droht hier keine Systemkrise. Ich sehe eher Risiken auf der Basis einzelner Banken“, sagt Nagel. Auch Lindner sieht „keine systemische Krise“.

Bewegung könnte in die Frage der Entschuldung ärmerer Länder kommen, sagt Lindner. China als größter Gläubiger habe signalisiert, dass es nicht mehr unbedingt darauf bestehe, dass auch die großen multilateralen Banken des Westens wie die Weltbank an der Entschuldung teilnehmen müssten. Allerdings seien die Zeichen aus Peking nicht eindeutig. Wenn es aber so komme, könnte die Welt hier einen großen Schritt vorankommen. „Die Bundesregierung bewertet dies als einen Fortschritt“, sagt Lindner.

Auch bei der angestrebten Reform der Weltbank hin zu mehr Engagement für den Klimaschutz hat es nach Einschätzung der Bundesregierung erste Fortschritte gegeben. Die Finanzkraft der Entwicklungsbank solle in den nächsten zehn Jahren um 15 Prozent oder 50 Milliarden US-Dollar erhöht werden, berichtet in Washington das zuständige Entwicklungsministerium. Dafür werde die Bank das Verhältnis von Eigenkapital zu Krediten senken.

Lindner und Nagel vergessen am Ende nicht, den Ukraine-Krieg als wesentlichen Grund für die derzeit noch angespannte Lage der Weltwirtschaft herauszustellen. „Es darf keine Gewöhnung eintreten an einen Zustand, in dem in Europa ein völkerrechtswidriger Krieg geführt wird“, mahnt Lindner. Und Nagel sagt: „Die Stimmung wäre richtig gut, wenn es diesen Krieg nicht geben würde.“

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