Pensionen steigen schneller als Rente Ist die Beamtenversorgung zu üppig?

Berlin · Am 1. August steigen die Pensionen der Bundesbeamten erneut um 1,2 Prozent. Rentner können sich in diesem Jahr nur über ein Plus von 0,25 Prozent freuen. Drohen die Pensionslasten die Länderhaushalte zu ersticken?

Während die Parteien im Wahlkampf über Altersarmut, Lebensleistungsrenten und Solidarrenten diskutieren, können sich die Pensionäre des Bundes über ein finanzielles Plus freuen.

Die Ruhegelder der Bundesbeamten steigen am 1. August zum zweiten Mal in diesem Jahr um 1,2 Prozent, insgesamt um 2,4 Prozent. Das hatte der Bundestag bereits im Sommer 2012 beschlossen. Die Erhöhung fällt damit etwa zehn Mal stärker aus als die Rentensteigerung (im Westen dieses Jahr 0,25 Prozent). Für einen leitenden Ministerialrat bedeutet das beispielsweise eine Erhöhung des Ruhegelds von 131 Euro auf monatlich 5575 Euro. Für die Landesbeamten gilt dies aber nicht unbedingt. In NRW setzt SPD-Regierungschefin gerade eine Nullrunde für Beamte höherer Besoldungsgruppen durch, das wirkt sich dann auch auf die Pensionen aus.

Die Durchschnittspension eines Bundesbeamten steigt laut Statistischem Bundesamt von 2680 Euro im Monat auf 2744 Euro. Zum Vergleich: Der sogenannte Eckrentner, also ein Arbeitnehmer, der 45 Jahre statistisch durchschnittlich verdient hat und als Maßstab für einen Durchschnittsrentner herangezogen wird, erhält eine Rente von derzeit monatlich 1266 Euro. Auch im vergangenen Jahr lag das Plus für die rund 170.000 pensionierten Bundesbeamten deutlich über dem Rentenanstieg.

"Man darf da nicht Äpfel mit Birnen vergleichen"

Die neuen Zahlen beleben nun eine seit Jahren erbittert geführte Debatte. Werden Rentner gegenüber Pensionären benachteiligt? Ist die Beamtenversorgung zu üppig, wie es etwa der Steuerzahlerbund und führende Ökonomen meinen? Oder wurden die Beamten in den vergangenen Jahren ausreichend mit Kürzungen geschröpft, wie es der Beamtenbund intoniert: Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Zunächst: Während sich die Rentenhöhe an den privatwirtschaftlichen Lohnabschlüssen und der Beschäftigung des Vorjahres orientiert, werden die Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst meist per Gesetz auf Beamte und Pensionäre übertragen.

Die Höhe der Pension richtet sich nach dem jeweils letzten Verdienst, der meist hoch ausfällt. Bei einem Rentner wird der Durchschnittsverdienst seines Arbeitslebens zugrunde gelegt.

Während Beamte nach 40 Berufsjahren rund 70 Prozent ihrer letzten Bezüge erhalten, sinkt das Versorgungsniveau in der gesetzlichen Rente bald unter 50 Prozent des Durchschnittsverdienstes.

Die Schere zwischen Pensionären und Rentnern geht also auseinander. "Im Vergleich zu den Renten fallen die Beamtenpensionen teilweise großzügig aus", kritisiert Rainer Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes. Die unterschiedlichen Berechnungen seien "ungerecht".

"Man darf da nicht Äpfel mit Birnen vergleichen", entgegnet Bernd Raffelhüschen, Volkswirtschaftsprofessor und Experte für Rentenfragen an der Universität Freiburg. "Pensionen sind Lohnfortzahlungen im Altersfall und müssen daher nach dem Alimentationsprinzip auch ähnlich steigen wie die aktiven Gehälter."

Zahl der Pensionäre von 165.000 auf 230.000

Sprich: Steigt das Gehalt eines Beamten, steigt das Ruhegeld des Pensionärs. Die gesetzliche Rente folgt indes dem "Lebensleistungsprinzip". Heißt: Die durchschnittlichen Bruttolöhne der gesamten Erwerbsperiode sind entscheidend.

Die Pensionslasten sind aber vor allem ein Länderthema. Sie beschäftigen und bezahlen 80 Prozent der Beamten im Land. Und die Pensionen sind eine finanzielle Zeitbombe. So steigen die Ausgaben für Altersbezüge, Beihilfe und Hinterbliebenenrente der Beamten alleine in NRW von heute 5,5 Milliarden Euro auf sieben Milliarden Euro im Jahr 2027. Laut Modellrechnungen des Landesrechnungshofes steigt die Zahl der Pensionäre von 165.000 auf 230.000.

Den Parteien in NRW ist das Problem durchaus bewusst. Das Weihnachtsgeld und die Versorgungsansprüche wurden bereits gekürzt. Der frühere CDU-Finanzminister Helmut Linssen ließ eine Rücklage im Etat einrichten, die bis 2020 rund 7,9 Milliarden Euro ansparen soll, um künftige Ausgaben abzufedern.

Und die nun von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gegen heftigen Widerstand umgesetzte Nullrunde für Beamte in höheren Besoldungsgruppen dient ebenfalls diesem Ziel. Angesichts der rasanten demografischen Entwicklung — immer weniger Steuerzahler finanzieren immer mehr Pensionäre — dürften diese Operationen indes kaum reichen. Nach Schätzungen Raffelhüschens wird auch in NRW bald jeder vierte eingenommene Steuer-Euro für Pensionen ausgegeben.

Eine Studie des Freiburger Forschungszentrums Generationenverträge ergibt, dass sich sämtliche künftige Versorgungsverpflichtungen für Beamte in Bund und Ländern bis 2050 auf die unvorstellbare Zahl von 1360 Milliarden Euro summieren. "Das sind Fehler der glorifizierten Vergangenheit", sagt Raffelhüschen und meint die Verbeamtungswellen zwischen 1972 und 1982.

"Pension mit 67"

Die Pensionsausgaben steigen nun ausgerechnet in den Jahren, in denen die Länder besonders sparen müssen. Ab 2020 gilt laut Schuldenbremse ein striktes Neuverschuldungsverbot für die Länder. "Ohne Reformen wird die künftige Last der Ruhegelder nicht zu tragen sein", bilanziert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft.

Experten fordern, dass das Kernstück der Reformen in der Rentenversicherung, der Nachhaltigkeitsfaktor, eins zu eins in das Pensionsrecht der Länder überführt werden muss. "Das ist aus Gleichbehandlungsgrundsätzen schlicht notwendig", sagt Raffelhüschen.

Auch die für Arbeitnehmer geltende Rente mit 67 ist für Ministerialdirigenten, Lehrer und Polizisten vielfach noch kein Thema. Immerhin: Die rot-grüne NRW-Regierung hat an dem noch aus CDU-Zeiten stammenden Gesetz zur "Pension mit 67" festgehalten.

Die Bundespolitik traut sich bislang nicht wirklich an das Thema ran, wie selbst SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück neulich im Interview mit unserer Zeitung zugab. Im SPD-Programm findet sich ebenso wie im Unionsprogramm für die Wahl keine Idee für eine Pensionsreform.

Zu groß ist offenbar die Angst vor den Protesten der Lehrer, Polizisten und Richter. Der Reformdruck dürfte so kaum abnehmen.

(brö)
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