Urteil über islamistische Gefährder Chat über Anschlag reicht aus für eine Abschiebung

Leipzig · Zum Schutz vor möglichen Anschlägen haben mehrere Bundesländer die Abschiebung islamistischer Gefährder angeordnet. Dies war umstritten, weil unklar war, ob von den Männern eine konkrete Gefahr ausging. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

 Das Bundesverwaltungsgericht hat erstmals auf Grundlage von Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes entschieden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erstmals auf Grundlage von Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes entschieden.

Foto: dpa, hsc pil

Das Gericht billigte in zwei Grundsatzentscheidungen die Abschiebung. Das Gericht in Leipzig wies am Dienstag die Klagen zweier mutmaßlicher islamistischer Gefährder gegen Abschiebungsanordnungen des niedersächsischen Innenministeriums ab. (Az.: BVerwG 1 A 2.17 und BVerwG 1 A 3.17)

Männer wuchsen in Deutschland auf

Es ist das erste Mal, dass das oberste deutsche Verwaltungsgericht über Abschiebungen auf Grundlage von Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat. Die Regelung besagt, dass "gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen" werden kann.

Razzia in Göttingen

Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden hatten die 27 und 21 Jahre alten Männer als Gefährder eingestuft. Bei einer Razzia im Februar in Göttingen wurden sie gefasst. Beide sympathisierten demnach mit der Terrormiliz IS und planten Gewalttaten oder gar einen Terroranschlag mit vielen Opfern. Die Männer sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie wurden inzwischen nach Algerien sowie Nigeria abgeschoben.

Die Anwälte der Kläger machten geltend, von ihren Mandanten gehe keine Gefahr aus. Ihre Äußerungen zu Gewalttaten seien nicht ernst gemeint oder von den Behörden überinterpretiert worden. "Es sind nur Worte, mit denen er um sich geworfen hat", sagte die Anwältin des jüngeren Klägers.

Fest in salafistische Szene eingebunden

Das überzeugte das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht. Beide Männer seien fest in die salafistische Szene eingebunden gewesen. Bei dem Algerier komme eine allgemeine Gewaltbereitschaft hinzu, der junge Mann mit nigerianischer Staatsangehörigkeit habe in einem Chat detaillierte Überlegungen zur Begehung eines Terroranschlags angestellt.

Aus Sicht des 1. Senats bedarf es für die Abschiebungsanordnung keiner konkreten Gefahr. Es reiche eine "auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose einer Bedrohungslage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheitsgefährdenden oder terroristischen Tat jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann".

Die Möglichkeit einer Abschiebung nach Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes besteht in Deutschland schon seit 2005. Die Bundesländer haben jedoch erst nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt begonnen, die harte Linie auch anzuwenden.
Bundesweit sind bisher rund zehn Abschiebungen angeordnet worden.
Beim Bundesverwaltungsgericht sind sieben Klagen dagegen eingegangen.

Das niedersächsische Innenministerium hatte gegen die beiden Männer auch noch ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt.
Über die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung muss das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden.

(csi/dpa)
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