Gespaltene Groko Koalition streitet über Rückkehr von IS-Kämpfern

Lässt sich gefangenen Dschihadisten die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen? Die Frage spaltet die Regierung. Der Bundesinnenminister nennt klare Kriterien für die Rückkehr von Kämpfern nach Deutschland.

 Kurdische Kämpfer patrouillieren durch die von ihnen vom IS zurückeroberte Stadt Hadschin im Norden Syriens.

Kurdische Kämpfer patrouillieren durch die von ihnen vom IS zurückeroberte Stadt Hadschin im Norden Syriens.

Foto: dpa/Aboud Hamam

Angesichts der möglichen Rückkehr von gefangenen IS-Kämpfern mit deutschem Pass dringt die CSU darauf, so schnell wie möglich ein Gesetz zu verabschieden, dass den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft von IS-Kämpfern ermöglicht. Das Bundesjustizministerium schätze die Relevanz des vom Bundesinnenministerium vorgelegten Gesetzentwurfs nicht richtig ein, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Er rief Justizministerin Katarina Barley (SPD) auf, ihre „Verschleppungsstrategie“ aufzugeben.

US-Präsident Donald Trump hatte am Wochenende die europäischen Staaten aufgerufen, rund 800 ihrer Staatsangehörigen aufzunehmen, die als Dschihadisten in Gefängnissen kurdischer Kämpfer in Syrien festgehalten werden. Andernfalls würden die USA sie bei einem Abzug aus Syrien freilassen. Die Bundesregierung geht von einer mittleren bis hohen zweistelligen Zahl aus, sieht aber erhebliche Probleme, die Übernahme der deutschen Staatsbürger praktisch zu bewerkstelligen. Es gibt keinerlei konsularischen Kontaktmöglichkeiten in Syrien, seitdem Deutschland seine Botschaft in dem Bürgerkriegsland geschlossen hat.

Dobrindt verwies auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, wonach Deutschen, die über einen weiteren Pass verfügen, ihre Staatsangehörigkeit entzogen werden kann, wenn ihnen eine Beteiligung an Kampfhandlungen einer Terrormiliz nachgewiesen werden kann. „Wer für den Dschihad kämpft, hat mehr als deutlich gemacht, dass er mit dem Rechtsstaat nichts mehr zu tun hat“, unterstrich Dobrindt.

Dem Vernehmen nach hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) einen entsprechenden Gesetzentwurf dem Justizministerium schon Mitte November zugeleitet. „Ich bin mir mit meinem Kollegen Horst Seehofer einig, dass wir dieses konkrete Vorhaben zeitnah umsetzen werden“, sagte Barley unserer Redaktion. Der vom Innenministerium vorgelegte Entwurf enthalte „allerdings Regelungen, die über den Koalitionsvertrag hinaus gehen“. Barley: „Wir brauchen verfassungskonforme Lösungen.“ Das Grundgesetz verbietet den Entzug der Staatsbürgerschaft, wenn der Betroffene dadurch staatenlos würde.

Dahinter steht, wie aus Koalitionskreisen zu erfahren war, unter anderem ein Streit um die Auswirkungen des grundsätzlichen Rückwirkungsverbots. Danach dürfen nur Gesetze auf Taten angewendet werden, die bereits zum Zeitpunkt des Begehens in Kraft waren. Das würde bedeuten, dass ein Entzug der Staatsangehörigkeit nicht mehr für die gefangenen Dschihadisten in Betracht käme, sondern nur für zukünftige Fälle dieser Art. Allerdings müssen auch jetzt schon alle Personen mit einem Verlust des deutschen Passes rechnen, wenn sie freiwillig und ohne Zustimmung des Verteidigungsministeriums in einen ausländischen „bewaffneten Verband“ eingetreten sind, wie es in Paragraf 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes heißt. Dazu müsste jedoch nach allgemeiner juristischer Einschätzung die Terrormiliz Islamischer Staat auch als regulärer Staat anerkannt worden sein.

Die Bundesregierung will sich zur möglichen Aufnahme von IS-Kämpfern mit den Regierungen europäischer Partnerländer abstimmen. Hier existieren jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen. Frankreich hat die Aufnahme französischer Staatsbürger angekündigt, Großbritannien sieht die Staatsangehörigkeit durch die Beteiligung an Kämpfen als verwirkt an und will, dass den IS-Milizionären in der Region der Prozess gemacht wird.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) machte am Dienstag deutlich, dass er IS-Kämpfer und ihre Familien nur dann nach Deutschland zurückkehren lassen will, wenn ihre Identität zweifelsfrei geklärt sei und sie kein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellten. „Im Interesse der Sicherheit unseres Landes muss die Bundesregierung für die Rückkehr von ehemaligen IS-Kämpfern, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, Bedingungen setzen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“, „jeder Einzelfall muss vor Ort geklärt werden, bevor irgendjemand ins Flugzeug gesetzt wird.“

Auch Unions-Innenexperte Mathias Middelberg warnte vor einer übereilten Rückholung ehemaliger IS-Kämpfer. „Bevor im Einzelfall entschieden werden kann, müssen unsere Sicherheitsbehörden die Identität und Staatsangehörigkeit der Personen zweifelsfrei geklärt haben“, sagte Middelberg. Auch müssten hinreichend Beweise vorliegen, die eine Verurteilung wahrscheinlich erscheinen ließen.

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