Unruhen im Iran Zementierte Hilflosigkeit

Meinung | Berlin · Nach der ersten Hinrichtung eines Demonstranten seit Beginn der Proteste im Iran ist der Aufschrei im Westen völlig zu Recht groß. In Deutschland wurde der iranische Botschafter einbestellt - die stärkste diplomatische Geste, die man ergreifen kann. Aber reicht das?

Außenministerin Annalena Baerbock warf der Führung in Teheran nach Vollstreckung des Todesurteils am 23-Jährigen Mohsen Schekari „Menschenverachtung“ vor. Schekari sei in einem „perfiden Schnellverfahren“ abgeurteilt und hingerichtet worden, weil er anderer Meinung als das Regime gewesen sei, betonte die Grünen-Politikerin.

US-Außenminister Antony Blinken verurteilte die Hinrichtung ebenfalls scharf. Amerika sei entsetzt über die Exekution. Man werde das iranische Regime auch weiterhin zur Rechenschaft ziehen. Die EU kritisierte die Hinrichtung aufs Schärfste. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zollte den Demonstrantinnen und Demonstranten am Freitag großen Respekt und sprach mahnende Worte: Die Menschenrechte seien keine Erfindung des Westens, sondern eine zivilisatorische Errungenschaft der Menschheit.

Wie wahr. Doch aller Aufrufe, Verurteilungen, Boykottdrohungen zum Trotz: Die iranische Führung geht seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September mit unverminderter Gewalt gegen die Proteste vor. Dabei wurden nach offiziellen Angaben inzwischen mindestens 200 Menschen getötet, Menschenrechtler sprechen von weit mehr Opfern. Und das Regime ist weit entfernt davon, abzurüsten. Im Gegenteil: Der iranische Außenminister sandte am Freitag Hasstiraden Richtung Deutschland. Was also folgt aus diesem kollektiven Aufschrei? Die Exil-Iraner, die ihr Volk unterstützen, fordern zu Recht mehr als warme Worte. Aber gibt es überhaupt Instrumente, um ein mächtiges Regime vom Terror gegen das eigene Volk abzuhalten?

Am Montag treffen sich in Brüssel die EU-Außenminister. Eine Forderung ist etwa, die Revolutionsgarden auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. Oder die Visa-Richtlinien anzupassen. Sanktionen gegen Mitglieder des Regimes auszuweiten. Einen Schutzstatus für Iraner, die der Gewalt in ihrem Land entkommen. Internationale Untersuchungen im Land selbst weiter stringent zu verfolgen, so wie es die verabschiedete Iran-Resolution des UN-Menschenrechtsrats vorsieht.

Was auch immer es für Ideen gibt - die EU steht unter Zugzwang. Der Glaube, die Vertreter des Regimes könnten noch als normale Ansprechpartner fungieren, hat sich spätestens mit der „offiziellen“ Hinrichtung eines Bürgers erledigt - wenn er überhaupt noch vorhanden war. Allerdings – und das gehört leider auch zur Wahrheit: Am Ende wird sich der Erfolg der iranischen Unabhängigkeitsbewegung auf den Straßen in den iranischen Städten selbst entscheiden. Das Regime stürzen können nur der Wille, der Mut und die Verzweiflung der Iranerinnen und Iraner. Doch von außen kann man deutlich machen, dass die Welt ihren mutigen und lebensgefährlichen Kampf sieht und unterstützt. Nicht mehr, aber auch auf keinen Fall weniger.

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