Deutsche Soldaten in Nahost Interview mit General a.D. Kujat:
"Das Risiko ist Libanons Armee"

Berlin (RP). Wie sieht der Militärexperte und Kenner der Region, Harald Kujat, die Debatte um einen Bundeswehr-Einsatz in Nahost? Der pensionierte Vier-Sterne-General war Chef des Nato-Militärausschusses, Bundeswehr-Generalinspekteur und intensivierte die deutsch-israelische militärische Zusammenarbeit.

Können Sie sich vorstellen, dass deutsche Soldaten auf israelische schießen?
Es ist doch völlig klar, dass wir das nicht wollen. Aber das ist eine typisch deutsche Diskussion, die weder der Qualität unserer Soldaten angemessen ist, noch unserem außenpolitischen Ansehen gerecht wird. Solche Dinge regelt man anders. Nämlich leise, zum Beispiel über die Einsatzregeln. Wir haben seit Jahren eine exzellente Zusammenarbeit mit den israelischen Streitkräften, wir verstehen uns hervorragend. Da kann man Verbindungen schaffen, die sicherstellen, dass es nicht zur Konfrontation kommt. Es muss doch Leute in der Bundesregierung geben, die wissen, wie man das diskret macht. Ich höre, wie die deutsche Debatte im Ausland aufgenommen wird als "die Deutschen diskutieren schon wieder ihre Nazi-Vergangenheit". Das ist doch desaströs und führt an den Kernfragen vorbei.

Welches sind die Kernfragen?
Gebieten es unsere außen- und sicherheitspolitischen Interessen, dass wir uns daran beteiligen? Ja oder nein? Das muss zunächst beantwortet werden. Ich kann doch nicht das Leben deutscher Staatsbürger riskieren, wenn nicht deutsche außen- und sicherheitspolitische Interessen auf dem Spiel stehen. Für die Betroffenen ist das doch kein Abenteuer-Urlaub.

Und was ist Ihre Antwort darauf?
Meine persönliche Antwort lautet: Ja. Und sie ergibt sich auch aus der Geschichte. Wir haben eben eine besondere Verantwortung für Israel. Das ist aber nur ein Teilaspekt. Die andere Frage lautet: Sind wir an der Stabilität dieses Gebietes interessiert? Und dann muss ich prüfen, ob die Bedingungen so sind, dass ich ruhigen Gewissens deutsche Soldaten dort einsetzen kann. Gibt es also Erfolgsaussichten und kann ich ein Optimum an Schutz bieten?

Wie sehen diese Bedingungen aus?
Wenn ich in das UN-Mandat hineinsehe, finde ich einiges sehr unausgewogen. Man hat einen Kapitel-7-Einsatz mit robustester Mandatierung vermieden, will der Truppe zugleich aber einen enormen Auftrag aufbürden. Etwa den Schutz von UN-Mitarbeitern, humanitären Helfern und allen Zivilisten vor jeder Gewaltanwendung - das ist eine gewaltige Aufgabe. Zugleich soll die Truppe die libanesische Armee begleiten und unterstützen. Das ist eine ganz delikate Mission, weil die Truppe abhängig ist von den Stärken und Schwächen der libanesischen Armee. Das macht das Ganze riskant angesichts des recht schwachen Mandats.

Also ist Vorsicht geboten?
Es kann durchaus sein, dass die Bundesregierung sagt: Die außen- und sicherheitspolitischen Interessen sind so schwerwiegend, dass wir hier auch unter diesen nicht optimalen Umständen für einen deutschen Einsatz plädieren. Das ist eine Güterabwägung.

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