Interview CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner “Berlin muss endlich wieder funktionieren“

Interview | Berlin · Im Februar wird in Berlin die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner will die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ablösen - sie sei „die unbeliebteste Ministerpräsidentin in ganz Deutschland“, so Wegner. Ein Wahlsieg werde auch CDU-Parteichef Merz stärken.

 Kai Wegner ist Spitzenkandidat der CDU in Berlin. Er will bei der Wahlwiederholung im Ferbruar die Regierende Bürgermeister Franziska Giffey (SPD) ablösen.

Kai Wegner ist Spitzenkandidat der CDU in Berlin. Er will bei der Wahlwiederholung im Ferbruar die Regierende Bürgermeister Franziska Giffey (SPD) ablösen.

Foto: dpa/Paul Zinken

Herr Wegner, ist Berlin noch sexy?

Wegner Früher hieß es arm, aber sexy, darauf spielen Sie ja an. Heute, nach dem SPD-Wahlchaos, sagt man unglaublich, aber wahr. Berlin ist auch weiterhin sexy. Aber Berlin funktioniert unter Rot-Grün-Rot an vielen Stellen nicht mehr. Das will ich ändern.

Die Wiederholung der Wahlen aus dem September ist ein neuer Tiefschlag für die Stadt. Wie konnte es soweit kommen?

Wegner Über Jahre ist verschlafen worden, der Berliner Verwaltung einen Modernisierungskurs zu verordnen. Wir haben zu wenig Personal, wir haben Strukturen, die Ende der 1990er Jahre hängengeblieben sind. Es fehlte der Mut, große Räder zu drehen, mal an die Landesverfassung ranzugehen, Zuständigkeiten neu zu ordnen. Letztlich ist das Fass übergelaufen dadurch, dass Berlin es noch nicht einmal mehr schafft, eine Wahl zu organisieren. Obwohl es genug Warnungen gab, hat der Senat sie einfach in den Wind geschlagen.

Auch die Union hat Berlin regiert oder mitregiert – wie wäre es mit Selbstkritik?

Wegner Die SPD trägt seit über 33 Jahren in Berlin Verantwortung. Seit 21 Jahren stellt sie ununterbrochen den Regierenden Bürgermeister. Wir haben in dieser Zeit fünf Jahre mitregiert. Das auch da nicht alles optimal gelaufen ist, ist sicherlich richtig. Aber dass wir den großen Wurf nicht hinbekommen haben, hat die SPD verhindert. Das ist so. Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, dass die Stadt jetzt einen Politikwechsel und einen Modernisierungskurs bekommt. Und keinen schlichten Farbwechsel an der Spitze.

Der Ruf der Stadt ist ja durch viele Pannen ziemlich ramponiert. Man denke nur an den Flughafen. Ist Berlin überhaupt noch eine würdige Hauptstadt?

Wegner Ja. Berlin ist eine internationale Metropole von Weltrang. Und das muss auch unser Anspruch sein. Berlin hat sich in den letzten Jahren auch nicht nur schlecht entwickelt. Aber nicht wegen, sondern trotz der Politik. Diese Stadt wird schlecht regiert. Das will ich ändern. Berlin muss eine funktionierende Metropole werden. Vor allem für die Menschen, die hier leben.

In den Umfragen liegen SPD, Grüne und die Union nahbeieinander. Wer ist ihr Hauptgegner?

Wegner Es geht mir nicht um Gegner. Ich werbe um das Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner. Ich will eine Modernisierungskoalition anführen, damit die Stadt die notwendigen Veränderungen bekommt, die über die letzten Jahre liegengeblieben sind. Wer den Neustart gestalten will, kann mein Partner sein. Berlin muss endlich wieder funktionieren. Das gehört zu den Hauptaufgaben der nächsten Jahre.

Sehen Sie bei der Regierenden Bürgermeisterin einen Amtsbonus, wie wollen Sie Franziska Giffey besiegen?

Wegner Franziska Giffey hat sicherlich einen höheren Bekanntheitsgrad. Ich stelle zugleich fest: Sie ist die unbeliebteste Ministerpräsidentin in ganz Deutschland. Und die Berliner sind so unzufrieden mit ihrer Landesregierung wie in keinem anderen Bundesland. Giffey hat vor einem Jahr versprochen, es gebe einen Neustart. Aufgewacht ist Berlin nach der Wahl in einem Weiter so. Das werde ich im Wahlkampf deutlich machen.

Was ist für Sie die zentrale politische Herausforderung abseits der immensen Verwaltungsprobleme?

Wegner Die Bildung. Wir brauchen eine neue Qualität und eine neue Verlässlichkeit in der Bildung. Damit die Kinder, egal woher sie kommen, gleiche Chancen haben. Das Bildungsniveau in Berlin ist ein Desaster. Wir geben pro Kopf im Vergleich zu den anderen Bundesländern das meiste Geld aus, aber die Ergebnisse sind miserabel. Ich will die Prioritäten neu setzen. Lesen, rechnen, schreiben, nur dann schaffen wir für alle Kinder die gleichen Zukunftschancen.

Inwieweit wird denn die Krisenpolitik der Ampel im Bund im Wahlkampf eine Rolle spielen?

Wegner Was die Ampel zurzeit bietet, ist für mich Rückenwind. Bei der Bewältigung der Energiekrise erleben wir Doppelmurks. Die Menschen sind sehr verunsichert; viele sind betroffen, die bislang noch nie angewiesen waren auf Hilfe vom Staat. Es geht um die klassische Mitte der Gesellschaft. Ich erwarte, dass die Regierung in einer solchen Situation auch auf die Opposition zugeht. Friedrich Merz hat das immer wieder angeboten. Und wir sehen ja beim Bürgergeld, dass sich dann vieles zum Besseren wendet.

Auch Berlin leidet unter der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen. Was würden Sie anders machen?

Wegner Der Senat hat das Thema über Monate ausgesessen. Jetzt muss aber auch der Bund die Länder bei den Kosten stärker unterstützen. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge. Berlin wird sonst seine Belastungsgrenze erreichen. Ich sage ganz klar: Es dürfen keine Sporthallen mehr zu Flüchtlingsunterkünften werden.

Was würde ihr Wahlsieg für Parteichef Friedrich Merz bedeuten?

Wegner Es ist wichtig, dass wir zeigen, die Union kann in Großstädten gewinnen. Und sie kann sie dann auch gut regieren. Das würde die Bundespartei und Friedrich Merz auf ihrem guten Kurs weiter stärken. Das wäre aber vor allem gut für die Menschen, denn die Menschen verdienen eine bessere Regierung.

(has)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort