Analyse sieht keine höhere Einkommensarmut Institut: Alle haben von Agenda 2010 profitiert

Köln · Sie ist das wohl umstrittenste Reformprojekt der Bundesrepublik: die Agenda 2010. Auch die SPD, die sie geschaffen hat, hadert noch heute damit. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln sagt nun, zehn Jahre nach der Einführung, die Agenda habe das Land zum Besseren verändert – und nicht zu mehr Einkommensarmut geführt.

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Foto: dpa, Oliver Berg

Sie ist das wohl umstrittenste Reformprojekt der Bundesrepublik: die Agenda 2010. Auch die SPD, die sie geschaffen hat, hadert noch heute damit. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln sagt nun, zehn Jahre nach der Einführung, die Agenda habe das Land zum Besseren verändert — und nicht zu mehr Einkommensarmut geführt.

Gerade hat der Armutsbericht der schwarz-gelben Regierung für Unmut gesorgt. Grund dafür waren Aussagen im Entwurf des Berichts, die von einer klaren sozialen Spaltung in Deutschland sprachen. Doch nach Vorlage der endgültigen Fassung heißt es auch von der CDU-Arbeitsministerin, das Auseinanderdriften der Einkommensschere sei gestoppt.

In eine ähnliche Kerbe schlägt nun eine Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, die sich mit der vor zehn Jahren vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Leben gerufene Agenda 2010 beschäftigt. Kerrnaussage der Analyse: "Es ist deutlich geworden, dass die Arbeitsmarktreformen zu mehr Beschäftigung und zu weniger Arbeitslosigkeit geführt haben." Höhere Einkommensarmut oder mehr unsichere Arbeitsverhältnisse seien dagegen nicht durch die Agenda entstanden.

"Keine Rede" von größerer Arm-Reich-Schere

"Die Agenda 2010 hat das Land zum Besseren geändert — auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen", heißt es beim IW Köln. Alle gesellschaftlichen Gruppen hätten von den Reformen profitiert. "Von einem Auseinanderdriften der Bevölkerung durch die Agenda 2010 — mit Armen, die ärmer, und Reichen, die immer reicher werden, kann also keine Rede sein." Deshalb sei es auch falsch, diese jetzt zurückzudrehen.

In der Analyse wird dies unter anderem mit der Entwicklung der Beschäftigungsquote und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit seit dem Jahr 2003 begründet. ls die Reform 2005 in Kraft getreten sei, seien im Februar 5,3 Millionen Menschen ohne Job gewesen, nur drei Jahre später sei die Zahl erstmals seit November 1992 unter die Marke von drei Millionen gefallen.

Das Institut betont, dass man diese Entwicklung selbstverständlicherweise nicht nur der Agenda 2010 zuschreiben könnte, sondern dass diese Entwicklung auch eine Folge der guten Konjunktur sei. Allerdings ziehen die Forscher einen Vergleich zum New-Economy-Boom von 1998 bis 2000. Der Vergleich zeige, "dass im Gefolge der Agenda bei gleichem Wirtschaftswachstum die Arbeitslosigkeit weit stärker zurückging."

So benennt die Analyse etwa die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die in den vergangenen fünf Jahren um etwa 40 Prozent auf durchschnittlich eine Million im Jahr 2012 gesunken sei. Und die Zahl der Jugendlichen ohne Job sei 2012 auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gewesen. Fazit der Forscher: "In Europa wandelte sich Deutschland vom Problemfall zum Vorbild."

Forscher: Minijobs attraktiver geworden

In der Analyse wird auch noch einmal betont, dass in der öffentlichen Wahrnehmnung die Agenda 2010 auf "Hartz IV" zusammengeschrumpft sei, doch das sei nur einer von 13 Reformbausteinen gewesen. Die Reform der Mini-Jobs aber habe es für viele Menschen wieder attraktiver gemacht, sich einen Job zu suchen. Auch verharre die Zahl der geringfügig Beschäftigten seit 2004 auf einem gleichen Niveau.

"Die Minijob-Reform von 2003 machte diese Erwerbsform für viele attraktiver und führte zu einem Niveausprung der Beschäftigung", heißt es in der Analyse. Das Phänomen Armut trotz Erwerbstätigkeit sei aber dadurch nicht zu einem neuen Massenphänomen geworden. Denn heute seien nur acht Prozent aller Erwerbstätigen einkommensarm. Das heißt für das Institut, wenn man mehr als 60 Prozent weniger hat als das durchschnittliche Nettoeinkommen hoch ist.

"Der Anstieg der Armutsquote Mitte des vergangenen Jahrzehnts ist zum Stillstand gekommen", schreiben die Forscher. Und auch das Kürzen von Rentenansprüchen durch die Agenda 2010 habe nicht nicht zu einer höheren Arbeitslosigkeit der Älteren geführt.

Das Fazit der Forscher lautet daher auch: "Die Entwicklung des Arbeitsmarktes nach Umsetzung der Agenda-Reformen hat gezeigt, dass der deutsche Arbeitsmarkt unter den richtigen Rahmenbedingungen keineswegs zwingend verkrustet, unflexibel und ineffizient ist, sondern flexibel und leistungsfähig sein kann."

(das)
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