Scharfe Kritik an Seehofer-Entscheidung Innenministerium streicht angekündigte Studie über Racial Profiling bei Polizei

Berlin · Vor drei Wochen sah alles danach aus, als würde Deutschland eine Studie zum sogenannten Racial Profiling in der Polizei bekommen. Das ist Geschichte - Innenminister Horst Seehofer hält die Untersuchung „nicht für sinnvoll“. Es hagelt Kritik

 Innenminister Horst Seehofer.

Innenminister Horst Seehofer.

Foto: dpa/Martin Schutt

Die von der Bundesregierung geplante Studie zum sogenannten Racial Profiling bei der Polizei kommt doch nicht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) halte eine Studie unverändert nicht für sinnvoll, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Sonntag.

Von Racial Profiling bei der Polizei spricht man, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale, aber ohne einen konkreten Anlass, kontrolliert werden. Die Studie war von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihrem aktuellen Bericht über Deutschland empfohlen worden. „Wir werden eine solche Studie, wie ECRI sie empfohlen hat, nicht in Auftrag geben“, sagte der Sprecher des Innenministeriums der dpa. Zuvor hatte „Zeit Online“ berichtet.

Nun hagelt es Kritik: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) möchte anders als Seehofer an der ursprünglich geplanten Studie festhalten. .

„Deswegen werde ich auch mit dem Kollegen nochmal darüber sprechen, ob so eine Studie auch im Sinne all derjenigen, die auf festem Boden unser Grundordnung stehen, in deren Interesse wäre“, sagte Lambrecht am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. „Es geht überhaupt nicht darum, irgendjemanden unter einen Generalverdacht zu stellen. Sondern es geht darum, einfach Sachstand zu ermitteln und zu wissen, wo wir stehen und wie wir auch gegensteuern können.“ Ihr Haus sei dafür zwar nicht zuständig. „Es wäre aber wichtig, dass wir diese Studie durchführen könnten.“

Mitte Juni sah alles danach aus, als würde sie in Auftrag gegeben. Beide Ministerien seien „in der konzeptionellen Entwicklung für eine Studie zu Racial Profiling in der Polizei“, hieß es damals vom Innenressort. Am Wochenende begründete das Ministerium Seehofers gegenteilige Entscheidung unter anderem damit, dass Racial Profiling in der polizeilichen Praxis verboten ist. „Insbesondere Personenkontrollen müssen diskriminierungsfrei erfolgen“, teilte ein Sprecher mit. „Weder die Polizeigesetze des Bundes noch die einschlägigen Vorschriften und Erlasse erlauben eine solche Ungleichbehandlung von Personen.“ Entsprechende Vorkommnisse seien absolute Ausnahmefälle.

Zuvor hatte Seehofer bereits im Innenausschuss des Bundestags nach Angaben von Teilnehmern gesagt, seines Wissens sei eine solche Studie nicht von seinem Haus in Auftrag gegeben worden. Er könne aber nicht ausschließen, dass ein Mitarbeiter so etwas veranlasst habe.

Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic warf Seehofer eine "sture Verweigerungshaltung" vor. Die Aktion erinnere sie an die drei Affen aus einem japanischen Sprichwort: "Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen." Dabei sei es "unbestritten, dass es Fälle von Racial Profiling in der Polizei gibt", sagte Mihalic. "Wir müssen wissen, wie groß das Problem ist, um Lösungen entwickeln zu können."

Schärfer reagierte die Linkspartei. "Solange schon der offene Diskurs und wissenschaftliche Studien über rassistische Strukturen und Einstellungen in den Behörden auf diese Weise unterbunden wird, ändert sich nichts", kritisierte Linken-Vizechefin Martina Renner. "Vielmehr erhalten die angeblichen 'Einzelfälle' Rückendeckung von höchster Ebene."

(mja/dpa)
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