Suche nach „Reichsbürgern“ geht weiter Innenministerin Faeser legt Waffenrechtsnovelle vor

Berlin · Ordentlich abgeheftet in einem Aktenordner findet die Polizei Erklärungen, mit denen sich Dutzende von Menschen verpflichten, nicht über die Pläne der mutmaßlichen „Reichsbürger“-Gruppe zu sprechen. Das bietet Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen.

Reichsbürger-Gruppe plante den Staatsumsturz
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Foto: dpa/Boris Roessler

Von den Aktivitäten der in der vergangenen Woche festgenommenen „Reichsbürger“ sollen mindestens 120 Menschen gewusst haben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) berichtete am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung, bei den Durchsuchungen seien zwischen 120 und 130 Erklärungen gefunden worden, in denen sich Menschen bei Strafandrohung zur Verschwiegenheit verpflichteten.

In der Sitzung ging es auch um die Frage, wie hoch die Gefährlichkeit der Gruppe einzuschätzen ist, deren Mitglieder nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden als waffenaffin und gewaltbereit gelten. Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch vergangener Woche 25 mutmaßliche „Reichsbürger“ festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Polizisten durchsuchten mehr als 160 Objekte. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wollten die Verschwörer 286 „Heimatschutzkompanien“ bilden, die nach einem Umsturz auch Festnahmen und Exekutionen durchführen sollten. Zu den mutmaßlichen Führungspersonen der Gruppierung gehörten vor allem Menschen im fortgeschrittenen Alter. Mehrere Verdächtige besaßen eine waffenrechtliche Erlaubnis.

Zu den Festgenommenen gehört die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Die AfD beantragte nach Angaben eines Sprechers am Mittwoch Akteneinsicht bei Generalbundesanwalt Peter Frank. In einem entsprechenden Anwaltsschreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag, heißt es zur Begründung: Im Falle einer Bestätigung des Verdachts gegen Malsack-Winkemann wäre diese nicht länger als Mitglied der AfD tragbar. Die Partei prüfe Parteiordnungsmaßnahmen bis hin zu einem Ausschluss und habe entsprechend der Strafprozessordnung „ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, welche Beweismittel für den Verdacht vorliegen und wie Frau Dr. Malsack-Winkemann sich dazu geäußert hat“.

Die AfD versuche, den Fall zu verharmlosen, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann. Die Partei habe sich selbst in eine „Abseitsfalle“ manövriert, aus der sie nicht mehr herausfinden werde.

Faeser informierte die Abgeordneten auch über ihre Pläne für eine Verschärfung des Waffenrechts sowie für eine erleichterte Entfernung von verfassungsfeindlichen Beamten aus dem öffentlichen Dienst. Hier ist angedacht, dass dies künftig per Verwaltungsakt und nicht wie bisher per Verwaltungsgerichtsurteil möglich sein soll, was das Verfahren beschleunigen soll. Beide Vorhaben waren schon vor den „Reichsbürger“-Festnahmen in der Pipeline gewesen.

Die Pläne zum Waffenrecht sieht unter anderem die FDP kritisch. Faeser sagte am Rande der Sitzung, ihr gehe es einerseits um einen besseren Austausch zwischen der Polizei und den Waffenbehörden, etwa wenn ein Mensch, der eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzt, umzieht. Außerdem will Faeser kriegswaffenähnliche halbautomatische Waffen in Privatbesitz verbieten. „Die Waffenrechtsverschärfung ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag, das macht mich immer optimistisch, dass ich mit beiden Koalitionspartnern dort auch Regelungen finde“, sagte die Ministerin. Dem Vernehmen nach soll auch ein besserer Austausch zwischen Sicherheitsbehörden und Gesundheitsbehörden möglich werden, damit Waffen nicht in die Hände von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen geraten.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), bezweifelt, dass die geplante Reform des Disziplinarrechts wirklich zu einer schnelleren Entfernung von Extremisten aus dem Staatsdienst führen wird. Mit Blick auf Spekulationen über eine mögliche Spitzenkandidatur Faesers bei der Landtagswahl in Hessen 2023 sagte er: „Die Bundesinnenministerin hat heute im Innenausschuss des Bundestages bestätigt, dass das Amt des Bundesinnenministers die volle Kraft erfordert, ich hoffe das gilt auch noch in den nächsten Monaten.“

(hf/dpa)
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