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100 Tage Rot-Rot-Grün In Thüringen sind keine Revoluzzer an der Macht

Erfurt · "Es gibt immer noch Bananen und die Arbeitslosigkeit ist gesunken" - Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow spielt gern mit den Vorurteilen, die der ersten rot-rot-grünen Landesregierung in Deutschland entgegenschlagen. Seit dem 5. Dezember ist er als erster Ministerpräsident der Linken im Amt.

Bodo Ramelow – Wessi, top-seriös und Hundefreund
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Das ist Bodo Ramelow

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Foto: dpa, mic pzi

Am Sonntag endet in Erfurt die 100-Tage-Frist, die neuen Regierungen als Schonzeit zugestanden wird. Das erste Zwischenzeugnis für die Koalition, die sich als Mitte-Links-Regierung versteht, fallen unterschiedlich aus. Vor allem der fehlende Thüringer Landeshaushalt, mit dem sich die Koalitionäre noch bis zum Frühsommer Zeit lassen wollen, aber auch erste Abstimmungspannen bieten der Opposition Angriffsflächen. "Wortbruch, Stillstand, Frustration und Ideologie", bescheinigt CDU-Fraktionschef Mike Mohring der Regierung. "Ich bin gespannt, wie sie das finanzieren wollen", kommentiert der Oppositionsführer fast alle der bisher angeschobenen Projekte von Rot-Rot-Grün.

Sie reichen von mehr Geld für freie Schulen und klamme Kommunen über bezahlten Bildungsurlaub für Arbeitnehmer bis zu einem gebührenfreien Kita-Jahr. Seit Februar scheint die Regierung in Schwung zu kommen - die Wochen davor war es erstaunlich still um die Neuen am Kabinettstisch, die vor ihrem Antritt bundesweit für Schlagzeilen sorgten. Nach dem Krimi bei Ramelows Wahl im Landtag - Rot-Rot-Grün hat nur eine Stimme Mehrheit - und den Demonstrationen gegen das Regierungsmodell sei der ruhige Start gar nicht so schlecht, heißt es in der Staatskanzlei.

Der langjährige Oppositionspolitiker Ramelow und seine Ministerriege, aber auch die bis 2014 in Thüringen dauerregierende CDU sind noch dabei, ihre neue Rolle zu finden. Der 59-jährige Ramelow scheint penibel darauf bedacht, nicht als verlängerter Arm der Linken in der Staatskanzlei zu erscheinen. Er sei der Repräsentant des Landes, der Dreierkoalition und nicht einer Partei, betont er. "Im linken Teil der Regierung bin ich der, der am meisten mittig ist."

In Berlin fiel Ramelow mit einem artigen Diener beim ersten Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf. Und seine Aufnahme in die Runde der SPD-geführten Länder vor den Ministerpräsidentenkonferenzen sieht Ramelow als Erfolg. "Wir haben damit jetzt einen vergleichbaren Status wie Baden-Württemberg mit einem Ministerpräsidenten der Grünen." Thüringen sei nicht isoliert, wie die Opposition meine. Aber Rot-Rot-Grün entwickle als Modell bisher noch nicht die erhoffte "Strahlkraft", meinen Parteistrategen vor allem der Linken mit Blick auf die 2016 anstehenden Landtagswahlen in anderen Bundesländern.

Wer sozialistische Experimente oder eine landespolitische Revolution in Thüringen erwartet hatte, wird von Rot-Rot-Grün enttäuscht. "Das ist alles so unspektakulär", findet Ramelow, der sich wie seine zumeist regierungsunerfahrenen Kabinettskollegen in Pragmatismus übt. Der Anspruch des gebürtigen Niedersachsen: Die Alltagstauglichkeit einer Regierung mit einer starken Linken, einer geschwächten SPD und der kleinen Partei der Grünen nachzuweisen - in Ostdeutschland und 25 Jahre nach der Wiedervereinigung. "Rot-Rot-Grün ist eine ganz normale Koalition, die etwas andere Akzente setzt", sagt Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne).

Allerdings steht die Nagelprobe noch aus. "Der Test, ob die knappe Mehrheit steht, ist noch gar nicht erbracht", sagt der Jenaer Politikwissenschafter Torsten Oppelland. Als denkbaren Härtetest nennt er mögliche Einsparungen für einen Haushalt ohne Neuverschuldung oder unpopuläre Entscheidungen bei der angekündigten Gebietsreform. "Erst wenn es ans Eingemachte geht, wird es ernst." Immerhin hat inzwischen der Koalitionsausschuss erstmals getagt - kurz vor Ablauf der 100-Tage-Frist.

(dpa)
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