Münchner Sicherheitskonferenz In München schaut die Welt in einen Abgrund

Meinung | München · Bei der Sicherheitskonferenz in München sind die Karten auf den Tisch gekommen. Der erwartete "Durchbruch" in Sachen Frieden für Syrien blieb zwar (noch) aus. Aber die Einstellungen wandeln sich gewaltig.

Die wichtigsten Aussagen der Münchner Sicherheitskonferenz 2016
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Die wichtigsten Aussagen der Münchner Sicherheitskonferenz 2016

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Foto: dpa, cs fdt

Wie nett. Sowohl Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew als auch US-Außenminister John Kerry waren mit einem Kennedy-Zitat nach München gereist. Es war bezeichnend. Während sich Kerry auf Kennedys Mahnung bezog, über die aktuelle Situation hinaus auf die Zukunft zu blicken, warnte Medwedew mit Bezug auf Kennedy: "Mit der Innenpolitik kannst Du eine Wahl verlieren, mit der Außenpolitik das Leben."

Das Bittere: In Syrien haben in den vergangenen fünf Jahren zwischen 250.000 und 450.000 Menschen ihr Leben verloren, weil das Assad-Regime innenpolitisch Krieg gegen das eigene Volk führte und die Anrainer-Staaten außenpolitisch in ein blutiges Gezerre um die Zukunft Syriens eintraten.

Das Papier hielt nicht eine Minute

Das Gute von München: Erstmals blieb es nicht bei Appellen und Anklagen. Erstmals bekam die deutsche Diplomatie viele Kriegsbeteiligte, sogar Saudis und Iraner, an einen Tisch und hinter ein Papier versammelt. Diese Vereinbarung hielt in der Wirklichkeit keine Minute. Denn statt die Kampfhandlungen sofort deutlich zu reduzieren, intensivierten Russland und Assad ihr Vorgehen. Und auch in München lagen nur 30 Stunden zwischen der Vereinbarung und ihrer faktischen Aufkündigung durch Russland.

Schon haben deutsche Sicherheitskreise ihre Einschätzung ins Gegenteil verkehrt. 2012 gaben sie dem Assad-Regime nur noch Monate bis zur endgültigen Niederlage, heute gehen sie von seinem Sieg aus.

Frieden durch Ausbluten

Wenn die wissenschaftliche Analyse richtig ist, wonach die Verhandlungen über eine Beilegung der Gefechte in Syrien erst dann erfolgversprechend sind, wenn sich keine Seite mehr Vorteile durch das militärische Vorgehen erhoffen kann, sind wir von einer Lösung weiter entfernt denn je. Mit jedem Tag machen Putin und Assad mehr Geländegewinne, verlieren die Rebellen, bislang die wichtigste Bodentruppe des Westens gegen die Terrororganisation Islamischer Staat, an Gebieten und Einfluss.

Das wiederum ermuntert Türken und Saudis in der Überlegung, ebenfalls Soldaten auf den syrischen Boden zu bringen. Und der IS freut sich über diese Frontstellungen, war es doch genau dieses Vakuum, das ihm seine Ausbreitung ermöglichte.

Der Blick in den Abgrund

Doch mehr noch als der Blick auf mögliche Vorteile militärischer Handlungen in Syrien mag am Ende die Ahnung der damit verbundenen Nachteile zählen. In München hat die sicherheitspolitische Elite der Welt in einen Abgrund geschaut. Die Geheimdienstler listeten die Länder auf, in denen islamistische Terroristen schon die Herrschaft übernommen haben und in denen sie ihre grenzüberschreitende Zusammenarbeit verabredeten. US-Geheimdienstler machten klar, dass nicht die Kriege und Kämpfe in der Ukraine oder in Syrien die größte Bedrohung darstellen. Sondern der IS und die mit ihm wetteifernden und kooperierenden Terror-Organisationen.

Waffenstillstand mit Assad

Gewinnen lässt sich dieser Kampf gegen den Terror nur, wenn sich die schreiende Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich in Sachen Lebensbedingungen und Teilhabemöglichkeit mindert, wenn Millionen junge Araber und Afrikaner eine andere Perspektive als die Arbeitslosigkeit haben. Und im ersten Schritt: Wenn in Syrien die Waffen zwischen den Gegnern des IS schweigen.

Unterhalb dieser Erkenntnis begann sich in München die Sicht auf Assad zu wandeln. Dass er für eine Übergangszeit noch mit am Verhandlungstisch sitzen würde, war inzwischen akzeptiert. Doch nun zeichnet sich die Bereitschaft ab, ihn auch darüber hinaus zu akzeptieren. Es bleibt die Frage, ob mit einem, der Krieg gegen sein eigenes Volk führte, eine Verständigung, geschweige denn Versöhnung, überhaupt möglich ist. Aber wenn das der Preis dafür ist, dass der heiße Konflikt zunächst in einen kalten übergeht, in dem Eingeschlossene versorgt werden können und das Töten aufhört, scheint der Westen immer mehr bereit, diesen zu zahlen.

(may-)
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