Kohl-Schelte, Euro-Krise In der Union brodelt es

Berlin (RPO). Zehn Tage vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gibt die Union ein zerstrittenes Bild ab. Nach der beispiellosen Kritik von Altkanzler Helmut Kohl am Kurs der schwarz-gelben Regierung gibt es nun Empörung über Wolfgang Schäuble. Dem Finanzminister wird vorgeworfen, in der Sondersitzung seiner Fraktion einen fertigen Arbeitsentwurf zum Euro-Rettungschirm nicht erwähnt zu haben.

 Altkanzler Helmut Kohl.

Altkanzler Helmut Kohl.

Foto: dapd, dapd

Am Donnerstag antwortet Merkel auf die Schelte des Altkanzlers. Nach der herben Kritik an den strategischen Entscheidungen ihrer Regierung meldet sich die Kanzlerin in der "Süddeutschen Zeitung" zu Wort. Ruhig im Ton aber dennoch deutlich in der Aussage. "Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen", lässt die CDU-Chefin in Richtung des Altkanzlers ausrichten.

"Die christlich-liberale Bundesregierung arbeitet daran, die Herausforderungen unserer Zeit zusammen mit unseren Partnern in Europa und der Welt entschlossen zu meistern", erklärt Merkel weiter. Die Probleme heute, so kann man diese Aussage deuten, sind nach Meinung der Kanzlerin nun mal etwas komplizierter als vor 13 Jahren. Die Verdienste des Kanzlers der Einheit seien natürlich nicht hoch genug einzuschätzen, schiebt Merkel nach.

"Wenn man keinen Kompass hat"

Helmut Kohl hatte sich in der Zeitschrift "Internationale Politik" geäußert. "Deutschland ist keine berechenbare Größe mehr - weder nach innen noch nach außen", urteilte Kohl. Fehlende Verlässlichkeit habe auch im Ausland zu Verunsicherung geführt. "Wenn man keinen Kompass hat, wenn man also nicht weiß, wo man steht und wo man hin will, und daraus abgeleitet dann auch keinen Führungs- und Gestaltungswillen, dann hängt man auch nicht an dem, was wir unter Kontinuitäten der Außenpolitik verstehen", sagte Kohl.

Auch einen Tag nach der Veröffentlichung schlägt die Kritik des Altkanzler hohe Wellen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte im ZDF, von einem Kurswechsel könne keine Rede sein. Allerdings sei es in der Welt des 21. Jahrhunderts wichtig, nicht nur alte Partnerschaften zu pflegen, sondern auch die neuen Kraftzentren in der Welt ernst zu nehmen und neue strategische Verbindungen aufzubauen.

Trittin streut Salz in die Wunde

Der Chef der Jungen Union Patrick Mißfelder erklärte im "Deutschlandfunk" versöhnlich, Kohl mache sich derzeit "einfach Sorgen" über den Kurs der Regierung. Er räumte ein, in der Union sei "gerade etwas los". Dies würde er "nicht beiseite wischen". Es gebe seit Monaten Kritik und "das müssen wir ernst nehmen".

Die Opposition beobachtet und feixt. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin spricht von einer "beispiellosen und vernichtenden" Kritik des Altkanzlers. Kohl bringe die Haltung der Kanzlerin in der Eurokrise auf den Punkt und fordere zu Recht von ihr "zügige und unideologische Maßnahmen", sagte Trittin am Donnerstag in Hannover.

Fertiger Entwurf nicht erwähnt

Die Kohl-Schelte ist dabei nicht die eigene Baustelle. Die Informationspolitik des Finanzministers zur Eurokrise stößt in den eigenen Reihen auf Kritik. Mehrere CDU-Politiker äußerten sich irritiert darüber, dass Schäuble in der Sondersitzung der Unionsfraktion einen offenbar schon fertigen Arbeitsentwurf zum Euro-Rettungschirm nicht erwähnt habe.

Wenn das Schäuble-Papier schon bekannt gewesen wäre, hätte es sicher Nachfragen gegeben", sagte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach dem "Handelsblatt". Es gebe das Gefühl, dass das Parlament schleichend entmachtet werde, "wer nachfragt, wird sofort als schlechter Europäer hingestellt, weil er den europäischen Einigungsprozess gefährde", kritisierte er den Umgang der Regierung mit dem Parlament.

FDP pocht auf Parlamentsrechte

Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke sagte unserer Redaktion: "Ich erwarte, dass wir im Herbst einen strikten Parlamentsvorbehalt bei allen wesentlichen den Bundeshaushalt betreffenden Fragen der Euro-Stabilisierung institutionell einrichten werden." Sollten mehr Kontrollrechte bereits früher notwendig sein, werde die Koalition darauf kurzfristig reagieren.

Wie lange die Euro-Krise Schwarz-Gelb noch im Schwitzkasten hält, ist indes nicht abzusehen. Angela Merkel (CDU) sagte ihre für Anfang September geplante Russlandreise jetzt ab. Offizielle Begründung: Terminprobleme wegen Eurokrise. Natürlich.

(RTR/AFP/DAPD/csi)
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