Streit um Impfstoff-Kapazitäten Impfstreit: Unions-Politiker verteidigen europäischen Weg

Berlin · Im Streit um schleppende Impfstoff-Lieferungen musste sich bislang besonders Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rechtfertigen. Nun wächst die Kritik an Brüssel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Doch Konservative unterstützen den Kurs.

 EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) steht in der Kritik, die Impfstoff-Hersteller vertraglich nicht zu verbindlichen Lieferfristen verpflichtet zu haben.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) steht in der Kritik, die Impfstoff-Hersteller vertraglich nicht zu verbindlichen Lieferfristen verpflichtet zu haben.

Foto: AP/Johanna Geron

In der Debatte um Engpässe und Verzögerungen bei der Impfstoff-Lieferung stellt sich zunehmend die Frage nach der politischen Verantwortung. Musste sich bislang vor allem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für seine Impfstrategie rechtfertigen, richtet sich der Blick nun verstärkt nach Brüssel. Die Verträge mit den Impfstoff-Herstellern wurden maßgeblich auf EU-Ebene verhandelt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) steht in der Kritik, die Unternehmen etwa nicht zu verbindlichen Lieferfristen verpflichtet zu haben. Mehrere Unions-Politiker verteidigen nun von der Leyens Vorgehen.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), begrüßte die politischen Schritte in Berlin und Brüssel. „Das gestrige Gespräch der Kommissionspräsidentin mit den Vorstandschefs der Impfstoffhersteller und der heutige Gipfel sind ein wichtiges Signal, dass der politische Druck verstärkt wird“, sagte Weber am Montag unserer Redaktion. Das Ziel schneller Impfungen für möglichst viele Menschen müsse „übergeordnet“ sein. Zugleich räumte Weber jedoch ein, dass es nun darum gehe, „schneller zu werden und größer zu denken“.

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU) sprach sich dafür aus, die gesundheitspolitischen Kompetenzen auf EU-Ebene sogar zu stärken. Er unterstütze Überlegungen, die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC „zu einer veritablen Behörde“ auszubauen, sagte Krichbaum unserer Redaktion. „Wir müssen auch in Gesundheitsfragen – nicht nur bei der Corona-Pandemie – europäisch denken. Nationale Alleingänge mögen für kurzfristige Erfolge im eigenen Land taugen, sie schaden aber dem gemeinsamen europäischen Projekt“, betonte der CDU-Politiker.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Georg Nüßlein, wies Fragen nach der politischen Verantwortung zurück. „Jetzt sollten wir uns nicht mit der Frage von Schuld und Sühne aufhalten. Entscheidend ist jetzt, wie die Impfstoffproduktion schnell deutlich gesteigert werden kann“, betonte der CSU-Politiker. Dies könne nur die Pharmaindustrie leisten.

EVP-Fraktionschef Weber warb in diesem Zusammenhang für eine „europäische Pharma-Allianz“, um die Impfstoff-Produktion „wo es nur geht zu beschleunigen“. Dafür hält der CSU-Europapolitiker mehr Produktionsstätten, größere Kapazitäten, optimierte Prozessen und eine besserer Impf-Logistik für notwendig. „Für diese Impfoffensive sollten 10 Milliarden Euro zusätzlich eingesetzt werden“, forderte Weber. Zugelassene Impfstoffe müssten „im Notfall“ auch von anderen Herstellern produziert werden, so Weber.

Laut  Krichbaum sei die EU-Kommission bei der Impfstoffbeschaffung auf Wunsch der Mitgliedsstaaten tätig geworden. „Retrospektiv würde man heute vielleicht einiges anders machen“, räumte er ein. Dennoch dürfe nicht vergessen werden, „dass es für die Bekämpfung der Pandemie keine Blaupause gab“. Die EU habe in Fragen des Gesundheitsschutzes bislang „nur sehr geringe Kompetenzen“, so der CDU-Politiker.

Hintergrund der Debatte sind Lieferengpässe der Vakzin-Hersteller, bei denen inzwischen teilweise nachgebessert wurde. So hatte der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca vor gut einer Woche mitgeteilt, im ersten Quartal dieses Jahres statt 80 Millionen nur 31 Millionen Dosen Impfstoff an die EU-Staaten zu liefern. Nun soll mit weiteren 9 Millionen Dosen bis Ende März nachgesteuert werden. Auch der deutsch-amerikanische Hersteller Biontech-Pfizer will nach zuletzt bekannt gewordenen Engpässen nachbessern. Das Unternehmen teilte am Montag mit, im zweiten Quartal möglicherweise bis zu 75 Millionen zusätzliche Impfdosen an die EU auszuliefern.

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